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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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diese Angelegenheit meinem Mädchen als eine wichtige und unaufschiebbare bezeichneten; nur hätte ich erwarten dürfen, daß sie das nicht für Sie, sondern für mich sei. Einem Genie, als welches Sie sich bezeichnen, darf ich kein Almosen anbieten, aber ich will Ihnen Gelegenheit geben, die genannte Summe in kürzester Zeit bei mir zu verdienen, indem Sie einen neuen Katalog meiner Bibliothek anfertigen.«
    »Katalog?« fragte er erstaunt. »Ich bin Kunstkritiker, aber kein Bibliograph!«
    »Das ist im allgemeinen kein Fehler, denn ein Kritiker kann ausnahmsweise auch einmal das Geschick besitzen, einen brauchbaren Katalog auszuarbeiten.«
    »Sie scheinen ironisch zu sprechen, Herr Doktor!«
    »Allerdings! Ich bin bereit, Ihnen auf eine anständige Weise, durch welche Sie sich nicht erniedrigt fühlen, zu helfen; Sie aber scheinen sich über mein Entgegenkommen zu wundern.«
    »Dazu bin ich doch berechtigt, denn ich brauche bares Geld, nicht aber Arbeit.«
    »Wenn ich Geld brauche, so arbeite ich. Da sie nicht arbeiten wollen und doch Geld verlangen, so scheinen Sie anzunehmen, daß die Arbeit für den einen, das Geld aber für den andern sei?«
    »Was ich annehme, das geht Sie gar nichts an! Ich verzichte auf Ihre Arbeit und auch auf Ihr Geld. Wahrscheinlich haben Sie selber nichts als Schulden. Ein Schriftsteller, der nicht lumpige hundertfünfzig Mark für einen Kollegen übrig hat, der ist in meinen Augen nichts; das merken Sie sich! Adieu!«
    Er geht mit einer höhnischen, verachtungsvollen Geste zur Thür hinaus und hält sich für zu vornehm, sie hinter sich zuzumachen. Ich warte, bis sich unten das Eingangsthor hinter dem genialen Kritiker geschlossen hat, und nehme dann die von ihm unterbrochene Arbeit wieder auf, rufe aber vorher dem Mädchen zu, daß ich von jetzt an für jedermann, er mag sein und heißen, was und wie er wolle, einfach nicht zu Hause sei.
    Von jetzt an bringe ich ungestört vier oder fünf Seiten fertig; ich höre klingeln und wieder klingeln, achte aber nicht darauf, weil ich ja nicht zu Hause bin. Da kommt meine Frau und teilt mir mit, daß ein fremder Mensch sich den Eingang erzwungen habe und nun im Garten herumlaufe.
    »Ein fremder Mensch? Erzwungen? Wer ist er denn?« frage ich.
    »Das weiß ich nicht; er sagt es nicht. Er will Dich überraschen. Er sieht fast wie ein Vagabund aus, spricht fremdartig und will auf Deine Heimkunft warten. Der sonderbare Mensch behauptet, Du werdest ihn dann sofort einladen, bei uns zu bleiben.«
    »Den muß ich mir doch einmal ansehen. Komm!«
    Ich trete aus dem nach der Straße gelegenen Studierzimmer in die Bibliothek, aus welcher ein zweiter Balkon nach dem Garten geht, da thut es an der Balustrade dieses Altanes einen lauten Krach, und ich sehe die oberen Sprossen meiner Baumleiter erscheinen, welche soeben dort angelegt worden ist. Ich eile hinaus, und als ich das Geländer erreiche, erscheint auf der Leiter der »sonderbare Mensch«, von dem meine Frau gesprochen hat.
    »Was wollen Sie da? Steigen Sie sofort hinab!« rufe ich ihm zu.
    »Nicht hinab, but hinauf!« antwortet er, indem er über das Geländer springt. Er ist ein kleiner, dünner, aber sehniger Kerl mit einem stark ausgeprägten, pfiffigen Vogelgesicht. Ein dünner Vollbart, zwischen dessen Haaren die Haut zu sehen ist, bedeckt seine Wangen, die Oberlippe und das Kinn. Seine Füße stecken in grauen, weitmaschigen sogenannten Paradiesschuhen; auf dem Kopfe trägt er einen alten, abgebrauchten Luffahelm; dazu kommt eine braune, verkniete Hose, ein grüngelbes Jackett und eine hellblaue Weste, über welche die Zipfel eines roten Halstuches weit herabhängen. Er zieht den Helm vom Kopfe, mustert mich mit listigen Augen und fragt in geläufigem aber fremdbetontem Deutsch:
    »Sie sind Mr. Kara Ben Nemsi Effendi, nicht wahr, Sir?«
    »Ja,« antwortete ich.
    »Also habe ich richtig kalkuliert, very right! Habe es Ihrer little maid gleich angesehen, daß sie mich belog, als sie behauptete, Sie seien nicht at home! «
    Er scheint ein Westmann oder etwas Ähnliches zu sein; darum sage ich viel milder, als es sonst geklungen hätte:
    »Und wenn man Sie fortweist, drängen Sie sich durch das Thor, gehen im Garten spazieren und steigen gar mit Hilfe der Leiter auf den Balkon! Wer sind Sie denn?«
    »Ich heiße Kraft,« lacht er, »und bin auf die Leiter geklettert, weil ich dachte, daß Sie hier oben zu finden seien. Ganz vortreffliche Idee, nicht?«
    »Allerdings; aber ich kenne keinen Mann

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