Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
herbeigelockt hatte. Wir schlossen uns ihnen an, und Boot an Boot ging es nunmehr wieder auf Lübbenau zu. Wort und Lachen klang herüber und hinüber, und ein kalter Grog, der, als die Sonne nieder war, aus Rum und Spreewaldwasser gebraut wurde, hielt die Kühle des Abends von uns fern. Aber nicht auf lange; Plaid und Paletot forderten endlich ihr Recht, und lautlos glitten die beiden Boote nebeneinander her. In die Stille hinein klang nichts mehr als der taktmäßige Ruck der Ruder und das leise Plätschern des Wassers.
Es schlug zehn von dem am Abendhimmel aufdunkelnden Turm, als wir im Schatten der Lynarschen Parkbäume wieder anlegten. Der »Braune Hirsch« nahm uns eine Viertelstunde später in seine gastlichen Betten auf, Bootführer Birkig aber ging seinem Dienste nach, um mit Horn und Spieß für Lübbenau und seine Spreewaldgäste zu wachen.
Zwischen Spreewald und Wendischer Spree
Eine Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow
Arm oder reich,
Im ersten und letzten ist es gleich,
Und wo zwei Hütten zusammenstehn,
Gab es Lieb und Haß und – ist was geschehn.
Zwischen dem Spreewald und der Wendischen Spree (der Dahme) liegt das Land Beeskow-Storkow, ein wenig gekannter Winkel, der nichtsdestoweniger seine Schönheit und seine Geschichte hat. Beiden beschloß ich nachzugehen und wählte dazu die Woche vor Ostern, eine Zeit, in deren greller, oft schattenloser Beleuchtung ich die märkische Landschaft noch nicht gesehen hatte. Von den alten Familien dieses ehemalig lausitzischen Landesteiles interessierten mich am meisten die Löschebrands, in betreff deren ich nur wußte, daß sie seit vielen hundert Jahren um den großen Schermützel-See herum ihre Sitze hatten. Ihr Name schon klang mir prächtig im Ohr, und ich sah eigentlich alles, was Löschebrand hieß, hoch zu Roß irgendeinen Brand mit geweihter Lanze löschend. Jeder ein Ritter Sankt Georg. O das mußte ein himmlischer Tag werden, und ich gab mich dieser Vorstellung um so voller und sichrer hin, als ich, ein paar Notizen abgerechnet, keinen »Wissenskram« in mir beherbergte, der meine Phantasie hätte zügeln können.
Der Abend vorher schon hatte mich nach Fürstenwalde geführt, von wo die Fahrt in aller Morgenfrühe beginnen sollte. Diese Morgenfrühe war nun da, der Wagen kam und hielt, und über das holprige Pflaster der ehemaligen Bischofsstadt hin ging es in das »romantische Land« hinein. In das romantische Land Beeskow-Storkow.
1. Rauen und die Markgrafensteine
Es ging, weil die Spree hier sieben Arme hat, über sieben Brücken, und als die letzte Brücke hinter uns lag, lag auch schon die weite Landschaft vor uns, hell und klar und sonnig, und so trocken, daß der Staub aufwirbelte, wie zur Sommerzeit. Aber ein Blick auf die Bäume zeigte zur Genüge, daß der Sommer noch ausstand und daß nichts heraus war als ein paar ärmliche Palmsonntagskätzchen.
Ich hatte gleich anfangs meinen Platz neben dem Kutscher genommen, der eigentlich kein Kutscher war, sondern ein Fuhrherr, und durch gute Haltung in jedem Augenblicke den Beweis führte, daß er bei den Potsdamer Ulanen gestanden. Er hieß Moll, entsprach durchaus seinem Namen und gab was auf Bildung, Bücher und Zeitungen. Aber er hatte sich seinen guten Verstand und sein eigenes Urteil nicht weggelesen und hielt vielmehr umgekehrt mit einem gewissen Eigensinn an seinen einmal gefaßten Ansichten fest. Selbstverständlich immer unter Wahrung artiger Formen. Er war gesprächig und mitteilsam, aber doch zugleich auch reserviert und lächelte viel.
Als wir aus der Flußniederung auf die Höhe gekommen waren, wies ich auf einen Hügelzug, der sich in geringer Entfernung vor uns ausdehnte: »Was sind das für Berge?«
»Die Rauenschen.«
»I, die Rauenschen. Wo die Braunkohlen herkommen?«
Er stimmte zu.
»Das ist mir lieb, die mal zu sehen, obwohl ich keine brenne; sie stauben zu sehr. Dann ist wohl auch Rauen selbst hier ganz in der Nähe?«
»Versteht sich. Der dicke Turm da. Das is es.«
»Na, dann vorwärts. Aber in Rauen müssen wir einen Augenblick halten. Ich glaube, da gibt es was.«
Er war einverstanden und zeigte nur dann und wann mit dem Peitschenstock auf das eigentümliche Treiben an dem uns immer näher kommenden Hügelabhang. Ein einziges Pferd zog eine lange Reihe von Wagen und ließ mich erkennen, daß dort ein aus irgendeinem Bergstollen herausführendes Schienengeleise liegen mußte. Von der entgegengesetzten Seite her kamen leere Wagen
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