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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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mich anzusprechen. Und dann erst solle er folgen.
    Etwa gegen neun Uhr erschienen die Marodeurs der Infanterie, die wie Strauchräuber aussahen. Sie lachten die Sauve Garde aus, rissen den Branntwein, den man ihnen in Gläsern anbot, in ganzen Flaschen an sich und drangen ins Haus. Gleich darauf hörte man das Aufstoßen der Türen und Spinden, ohne Rücksicht darauf, ob diese verschlossen waren oder nicht. Alles wurde zerschlagen. Ebenso ging es im Wirtschaftshause; die Keller wurden erbrochen, die Wein- und Branntweinfässer angezapft, und da keiner der Plünderer ans Zumachen dachte, so lief der größeste Teil in den Keller. Die Tonnen mit Lebensmitteln, mit Öl und Gemüse wurden umgeworfen und ihr Inhalt in den Moder getreten. Ich blieb, aller Roheiten und Mißhandlungen unerachtet, unter den Plünderern, um durch Aufschließen der Spinden ihr Zerschlagen und Aufbrechen zu verhüten; allein vergebens. Es läßt sich die Raubbegierde dieser Menschen mit nichts andrem als mit der einer Tatarenhorde vergleichen. Einer der Dragoner, die die vergleichsweise guten und anständigen waren, ließ mir durch die Neumann sagen, ich solle doch nur so weit wie möglich fortlaufen, um mich den Mißhandlungen der Wütriche nicht auszusetzen, deren einige bereits anfingen, meinen Leuten ihr Zeug vom Leibe zu reißen. Und so schlich ich mich durch den Garten in den Busch, ohne etwas anderes mitzunehmen als den Morgenrock, den ich auf dem Leibe hatte. Selbst die Kirche war erbrochen worden, um das Silberzeug, und was sonst Wert haben mochte, zu stehlen.
    Endlich neigte sich der Tag, und als alles still geworden war, ging ich ins Haus zurück, in dem ich eine vollständige Zerstörung fand. Matratzen und Bettdecken existierten aber noch, und ich nahm von diesen mit mir, was einige Mann tragen konnten. Ebenso konnte ich mein Portefeuille retten, das ich unter allerhand umhergeworfenen Papieren entdeckte. Wir hatten nur einen Augenblick Zeit und eilten, als neue Marodeurs in Sicht kamen, nach dem Busche zurück, in welchem wir nun drei Tage und zwei Nächte blieben.
    Den 28. erschien wieder eine Infanteriedivision in und bei Liebenberg und beschränkte sich darauf, Mobiliar in Stücke zu schlagen.
    Am 29. Marketender und Knechte. Sie machten sich über die Reste her, und kein Schlupfwinkel blieb ununtersucht.
    Am 30. endlich zog ich zu einem meiner Tagelöhner und wieder ein paar Tage später in eine Stube des ›Roten Hauses‹. Es war aber noch zu früh, und ich geriet nicht bloß in Gefahren aller Art, ich wurd auch Zeuge der verdrießlichsten Szenen. Immer neue Durchmarschierende kamen, Schweine und Schafe wurden fleißig getötet, und ein Colonel, der in dem benachbarten Falkenthal die Nacht zubringen sollte, ließ mir achtunddreißig Schafe nehmen, um sein Kommando damit zu füttern. Einige Tage später erschienen zwei Offiziere und dreiunddreißig Gensdarmen und nahmen Quartier im Wirtschaftshause; Hafer und Heu mußten herbeigeschafft werden, und ihre Forderungen hatten kein Ende. Dabei ließ sich mein Wirtschafter, den man einzuschüchtern gewußt hatte, durch die Fragen eines gut Deutsch sprechenden Gensdarmerieoffiziers derart überholen, daß er ihm meinen Aufenthalt in Liebenberg eingestand, worauf ihm der Offizier erwiderte: ›Sie müssen das niemandem sagen; es wäre Ihres Herrn Unglück.‹
    Nach den Gensdarmes kamen Dragoner und nach den Dragonern Chasseurs. An der Spitze dieser stand der Oberst Tessier, ein brutaler Mensch. Er wollte Wein, der nirgends mehr zu haben war, durchlief alle Wohnungen und Ställe und kam auch in meine Stube, wo ich auf einem alten Lehnstuhl saß. ›Hoho‹, rief er. ›Bon soir. Was ist das für ein Benehmen! Ein jeder läuft vor mir, und ich kann kein anständiges Quartier finden. Sacredieu, für einen Obersten muß doch etwas geschehen!‹ Ich antwortete ihm, daß die Plünderung uns alles genommen hätte, was einem Offizier das Leben angenehm machen könne. Man hätte zur Stadt nach Wein geschickt, aber es werde nichts helfen, da schon vorher keiner zu haben gewesen sei. Der Schloßherr sei nach Berlin gereist; ich persönlich sei früher der erste Aufseher in seinem Dienste gewesen. Er besänftigte sich um etwas und stieß nur einige ruhmredige Redensarten gegen unsern König aus. Am folgenden Tage erfuhr ich, daß er beständig nach dem ›Schloßherrn‹ gefragt und geforscht habe, woraufhin beschlossen wurde, daß ich Liebenberg ganz aufgeben und nach dem Vorwerk ›Hertefeld‹

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