Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Emporgekommenen vereinigt. Sie weiß so wenig, was sie zu tun hat, daß sie beispielsweis auf dem Geburtstagsball bei Minister von der Goltz, zu dem auch sie gebeten war, sich weder der Prinzessin von Oranien noch der Prinzessin von Hessen hat vorstellen lassen. Sie fragt niemanden und bekümmert sich um keinen Anstand. Ist also ein komplettes Original.«
»Ich komme noch einmal auf J…….tz zurück. Sobald ich wieder in Berlin bin, werd ich mich eingehender nach ihm erkundigen. Sein Ehrgeiz hat ihn in das ›neue System‹ hineingelockt, und er muß mit allerlei Menschen Umgang halten, die mir nicht gefallen. Nur ein Staatskanzlerposten ist zu haben, wenn Hardenberg stirbt oder geschuppt wird. Und wenigstens ein halbes Dutzend der untern Faiseurs macht Anspruch auf diese Stelle.«
So läuft die Kritik, ohne sich übrigens, wie die vorstehende Blumenlese vermuten lassen könnte, lediglich auf die Standesgenossen zu beschränken. Alles wird herangezogen, auch Hof und Geistlichkeit.
»In Geschmackssachen«, so schreibt er an Alexandrine D., »ist nicht zu streiten. Eberhard Danckelmann findet bei den Hoffestlichkeiten, an denen er jetzt teilnimmt, alles, was er verlangt. Ich , meinesteils, bin freilich immer so dumm gewesen, nichts als Unbehagen und Langeweile dabei zu fühlen.«
»Ich bin ganz Deiner Meinung, meine liebe Tochter, in allem, was Du mir über Pastor Heiligendörfer schreibst. Er war immer ein Salbader, den aber Onkel Kalkstein protegierte, weil er wenigstens ein ruhiger Mann war. Allerdings von seiner Kanzelberedsamkeit hatte selbst der selige Onkel keine sehr hohe Vorstellung.«
Auch allerhand Provinzialeigentümlichkeiten entgingen seinem scharfen Auge nicht, und so schrieb er an Alexandrine: »Du wunderst Dich, daß die Schlesier Deinem Manne wegen seiner neuerhaltenen Würde die Cour machen. Ich wundere mich nicht. Das ist so Landesart. Als sie noch unter dem Wiener Hof geängstigt wurden, mußten sie sich vor allen österreichischen Großprahlern neigen. Nachher kamen sie unter die Fuchtel des preußischen Finanzministers. Da verdoppelte sich das Neigen, einmal aus Furcht, das andere Mal aus Interesse. Und so ist es ihre Gewohnheit geworden, sich vor allen, die ihnen direkt oder indirekt nutzen oder schaden können, zu beugen.«
In solchen und ähnlichen Betrachtungen ergehen sich die Briefe, bis sie kurz vor der Jenaer Schlacht, auf fast Dreivierteljahr hin, abbrechen. Aber an ihre Stelle tritt jetzt ein umfangreiches » Memoire «, dem ich nunmehr folgende, für die Geschichte jener Tage nicht unwichtige Schilderung entnehme.
Die Plünderung Liebenbergs am 26., 27. und 28. Oktober 1806
»Am 25. Oktober war es, als die zum Hohenloheschen Corps gehörenden Husaren vom Regiment Prinz Eugen von Württemberg, samt zwei Compagnien Fußjäger, auf ihrem fluchtartigen Rückzug unvermutet in Liebenberg eintrafen. Offiziere und Gemeine waren äußerst ermüdet und mißvergnügt über die elende Führung der Armee, die Pferde gedrückt und schlecht im Stande.
Ein Rind wurde geschlachtet und behufs der Soldatenverpflegung unter die Dorfgemeinde verteilt. Sieben Jägeroffiziere, vierzig Mann und die Wachen blieben bei mir auf dem Hofe.
Den 26. des Morgens um sechs Uhr marschierten Jäger und Husaren nach Liebenwalde; die zur Avantgarde gehörenden übrigen Regimenter aber, die meist in Germendorf, Gransee etc. gestanden hatten, gingen auf Zehdenick.
Ohngefähr um zehn Uhr kam ein Trompeter von der französischen Vorhut auf den Hof gesprengt. Ein Husar aber, der ihn begleitete, schrie meinen vor dem Hause stehenden Leuten zu ›Hierher!‹ und hieb nach ihnen, als sie sich ins Haus zurückziehen wollten. Ich ging ihm nun entgegen und fragte ihn auf französisch, ›was zu seinen Diensten sei?‹ Wie ein Rasender sprang er jetzt vom Pferde und schrie: ›Vite, vite, 200 Louis!‹ Ich erwiderte: ›Silbergeld hätt ich noch, aber von Gold sei keine Rede‹, worauf er nur wieder schrie: ›Vite, vite; sonst kommen die Kameraden mir anderwärts zuvor.‹ (Es war, als hielt er es für seine Bestimmung, überall der erste Dieb zu sein.) Ich öffnete nun mein Schreibspind, und er nahm alles, was darin war, 640 Taler, schüttete die Taler in einen Kornsack und packte sich mit seinem Kameraden davon.
Bald kamen andere Husaren. Es wurde ihnen Wein und Brot gereicht, und sie nahmen mir meinen ganzen Pferdebestand, den ich mit barem Gelde wieder auslösen mußte. So stahlen sie mir 1500 Taler und das
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