Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Thürschwellen, oder unter schattigem Gesträuch ins Gras gelagert. Was mehr als alles andere an die ungeheuren Dimensionen des Kampfes, der hier getobt hatte, erinnerte, waren die an den Chausseegräben hin angehäuften Massen von weggeworfenem und in Wind und Wetter zum Theil schon unkenntlich gewordenem Kriegsmaterial: Bajonnet- und Degenscheiden, Koppel und Bandeliere, Wehrgehenke und Patrontaschen, vor allem Käppis und Tornister. Wie große zugeschrägte Müllhaufen lag es da, sich ablösend mit den Steinhaufen am Wege.
Unmittelbar vor Königgrätz passirten wir Schloß Kuklena, jenen während des Kriegs viel genannten Besitz des Grafen Clam Gallas. Hier hatte der Graf (so wenigstens wird erzählt) ein Frühstück gegeben »zu Ehren des Sieges von Custozza«, während sein eignes Corps bei Gitschin geschlagen wurde. Das Kriegsgericht hat ihn freigesprochen.
Der Königgrätzer Bahnhof war von Oesterreichern (Regiment Constantin) besetzt. Man musterte sich gegenseitig,lächelte und begnügte sich mit kurzem Kopfnicken. Ein längerer Aufenthalt verbot sich an dieser Stelle; also Nachtquartier in Pardubitz.
Von Pardubitz ein ander Mal. Der nächste Morgen führte uns, nunmehr auf dem Rückweg, noch einmal an Königgrätz, dann, zwischen Josephstadt und Königinhof, an den Siegesfeldern der Kronprinzlichen Armee vorüber. Der hohe Eisenbahndamm gestattete einen vorzüglichen Einblick: dort der Wasserlauf der Aupa, dort Skalitz und Miskoles, dort Kukus und Gradlitz. Die Landschaft zwischen uns und dem Gebirge lag wie eine aufgeschlagene Karte vor uns. Ein Offizier, der jene Ruhmestage mitgefochten, hielt uns Vortrag vom Wagenfenster aus. Wir dankten ihm herzlich.
Das waren die letzten Eindrücke. An Turnau und Reichenberg vorbei, der Grenze zu, athmeten wir freier auf, als das Drängen und Treiben, das Lärmen und Summen des Görlitzer Bahnhofs wieder um uns her war. Ein chaotisches Gewirr, aber über dem Ganzen die Luft der Heimath.
IMPRESSIONEN AUS ITALIE N
INHALT
Aus den Tagebüchern der Italienreise Oktober/November 1874
Ein letzter Tag in Italien
Aus den Tagebüchern der Italienreise Oktober/November 1874
Sonnabend d. 3. Oktober Von München nach Verona
Emilie Fontanes Aufzeichnungen vom 3. Oktober
Der Zug ging nicht abends am 2. Oktober. So denn Abfahrt am 3. um 9 Uhr 10 Minuten. Anfänglich höchstens Gegend à la Luckenwalde; erst bei Rosenheim wird es schön, plötzlich hat man die Bayrischen Alpen vor sich, und im nächsten Moment ist man drin und fährt, Berge links und rechts, das Inntal hinauf. Die Bergpartien bleiben an Grandiosität hinter den Schweizer-Bergen weit zurück, doch treten sie, der Zahl nach, massenhafter an einen heran. Das einzelne wirkt nicht bewältigend, aber das Ganze macht einen bedeutenden Eindruck. Kufstein, Grenzfestung, liegt ähnlich imposant wie Bellegarde , das den Jurapaß zwischen Schweiz und Frankreich schließt. Nach Kufstein kommen die Städte Schwaz und Hall, hübsch gelegen; dann Innsbruck , das einen eminent langweiligen Eindruck macht. Einen desto beßren machte die Bouillon mit Leberknödel seines Bahnhofs. Hinter Innsbruck beginnen die Tunnel, und die Bahn klettert, über den Iselberg hinweg, bis zum Brenner-Paß hinauf. Hier scheiden sich Deutschland und Italien, wenigstens geographisch, wenn auch nicht politisch; Südtirol beginnt. Man kommt nach Sterzing, dem Geburtsort Speckbachers (auch Passeier in der Nähe), und fährt nun im Etsch-Tal hinab, wie man vorher das Inn-Tal hinauffuhr. Erst Brixen, weiß mit Schindel oder Schieferdächern, dann Franzensfeste, wo eine Bahn nach Triest abzweigt, dann Bozen. Franzensfeste ist ein ziemlich bedeutender Bau, modern, gasometerartige Rundtürme mit Geschützöffnungen. Bozen lag da, wie ich Dover zu sehen pflegte: ein paar Schattenstreifen am Berge hin und die Schattenstreifen durch hundert Lichter belebt. Das Bozener Obst wurde am Bahnhof durch eine harte Birne repräsentiert, die ich für 6 Kreuzer akquirierte. Dann Trient, dann Roveredo. Um etwa 11 Uhr Ankunft in Verona. Unterkunft gefunden in Colomba d’oro. Zimmer 36 machte anfangs einen so bedenklichen Eindruck, daß ich es mit dem Licht in der Hand absuchte und einiges Kleinzeug (Spinnen, Spinnweb, Ohrwürmer, Gnitzen) verbrannte. Die gefürchtete Störerin meiner Nächte, das kastanienbraune Plattier, blieb aber aus. Ich gebrauchte die Vorsicht, in die Klinse der wenig geöffneten Tür ein brennendes Licht zu stellen. Dies rettete uns
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