Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
das ich im übrigen eben keine besondere Berechtigung in Anspruch nehmen darf.
Jene Äußerung meines Briefes über die Berliner Luft war, wofür ich sie auch nur ausgab, eine lediglich durch den augenblicklichen oberflächlichen Eindruck hervorgerufene – und durch den »Kladderadatsch«. Die eigentliche Karikatur, sofern sie nicht wieder ins Phantastische hinaufsteigt – zum Beispiel in der Poesie des »Kaliban« –, ist mir so zuwider, daß sie mir beinahe körperliches Unwohlsein erregt. Aber ad vocem »Nivellement«! Fragen Sie Ihren Grafen Arnim doch einmal, ob er dem Professor Dove oder dem Maschinenbauer Borsig auch seine Tochter zur Ehe geben wolle! Ich verlange das keineswegs unbedingt von dem Grafen Arnim, aber es ist jedenfalls ein Probierstein für das »Nivellement«. Ich habe es mir oft selber vorgesprochen, und lassen Sie mich’s hier – ich weiß gerade nicht, in welchem näheren Zusammenhange mit unserer Korrespondenz – einmal niederschreiben: ein junger Mann sollte zu stolz sein, in einem Hause zu verkehren, wovon er bestimmt weiß, daß man ihm die Tochter nicht zur Frau geben würde. (Ich weiche hier ganz und gar von Storm ab; ich finde solche Wichtigkeitsgefühle philiströs.) Am achten oder neunten Juli denke ich in Berlin zu sein, um womöglich von dort ohne weiteres an meinen demnächstigen Bestimmungsort zu gehen; werde mich aber doch wohl eine Woche oder länger in Berlin aufhalten müssen.
Husum, 25. Juli 1853
Meinem Versprechen gemäß schicke ich Ihnen in der Anlage noch ein paar Verse für die Argo, falls Sie sie der Aufnahme wert halten sollten. Gern hätte ich noch den etwas argen Hiatus in Strophe 1, Vers 2 – »die ich« – entfernt, doch hat es mir, ohne der Richtigkeit und Simplizität des Gedankens oder des Ausdruckes zu schaden, nicht gelingen wollen. So etwas will aus dem Vollen und nicht im einzelnen geändert werden. Freilich könnte ich den Singular setzen, aber ich will doch meinen zweiten Jungen nicht verleugnen. So muß ich denn mit Goethe sagen: »Lassen wir das Ungeheuer stehen!« Teilen Sie aber Ihren Mitredakteuren diese Bedenklichkeiten erst nach der Lektüre mit; es stört doch.
Es hat übrigens schwer genug gehalten, daß ich Ihnen überhaupt nur diese Kleinigkeit anzubieten vermochte; denn dieser Mittelzustand, in dem ich mich noch immer befinde, ist der Produktionsfähigkeit nicht eben zuträglich. Man hat mir nämlich noch immer nicht erlaubt, meine Probezeit anzutreten. Nach Privatmitteilung ist auch dazu erst eine Vorlage im Kabinett des Königs nötig, und die armen schleswig-holsteinischen Expeditionen sollen oft lange liegen. Daß mein Gesuch vom Kabinettssekretär dem Ministerium überreicht worden, scheine die Sache nicht zu beschleunigen.
Es ist heute der Jahrestag der Idstedter Schlacht, der auch diesmal von Militär und Polizei wegen feierlich begangen wird; die dänische Regimentsmusik mit den »tappern Landsoldaten« zieht durch die Gassen, Jungens und Gesindel hinterdrein; allen Gastwirten ist bei Strafe, daß sonst nicht länger als 6 Uhr geschenkt werden dürfe, geboten, Tanz zu halten. Viele finden sich dazu freilich nicht ein; aber man weiß, wie es geht; der eine fürchtet, die Kundschaft der flott lebenden dänischen Beamtenschaft zu verlieren, der andere hat die Furcht im allgemeinen, der dritte will den befreundeten Wirt nicht stecken lassen. Und zuletzt ist zuzugestehen, keine Bevölkerung im großen und ganzen hat auf die Dauer Lust, für ihre Überzeugung zum Märtyrer zu werden. So machen sie denn ihren Bückling und knirschen heimlich mit den Zähnen.
So dankbar man im Grunde der dänischen Regierung sein sollte, daß sie durch diese Brutalität das Gedächtnis unserer historischen Unglückstage so unauslöschlich den Herzen der besseren deutschen Bevölkerung einätzt, so ist es doch ein Gefühl zum Ersticken, ohnmächtig und stumm dies gegen die Bevölkerung angewandte Demoralisationssystem mit ansehen zu müssen.
Doch wie geht es Ihnen? Sie sind krank, nicht in Berlin. Hoffentlich werde ich, falls ich im August dorthin kommen sollte, Sie sehen! – Der Artikel in der »Preußischen Zeitung« ist mir durch den Drucker zugegangen, und ich sage Ihnen meinen aufrichtigen Dank, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, das, was Sie über meine Sachen denken, auch einmal schriftlich und öffentlich auszusprechen. Mörike, dem ich seinerzeit meine »Sommergeschichten« geschickt hatte, erwiderte dies neulich durch Zusendung
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