Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
durchstreifte, bis durch den braunen Abendduft die Sterne schienen, sind sie denn alle, alle abgeblüht? Es ist ein melancholisches Lied, das Lied von der Heimkehr.« Wundervolle Worte, wie sie nur Storm schreiben konnte, voll jenes eigentümlichen Zaubers, den fast alles hat, das aus seiner Feder kam. In etwas spezifisch Poetischem steht er ganz einzig da.
»Wen von euch soll ich nun dafür hingeben?« so frug er, als er sich bald danach an der alten Stelle wieder eingerichtet hatte. Er hatte nicht lange auf Antwort zu warten. Ein Jahr nach der Rückkehr starb Frau Constanze, jene schöne, frische, anmutige Frau, an die er, als er ihr 1852 von Berlin aus den beschlossenen Eintritt in den preußischen Dienst meldete, die Worte gerichtet hatte:
So komm denn, was da kommen mag,
Solang du lebest, ist es Tag,
Und geht es in die Welt hinaus,
Wo du mir bist, bin ich zu Haus,
Ich seh dein liebes Angesicht,
Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht –
Worte, wie sie kein Dichter je schöner geschrieben hat.
Storm, einer jener vielen Hülflosen, die, wie der Liebe, so der Dienste einer Frau nicht wohl entbehren können, verheiratete sich wieder, und zwar mit Dorothea Jensen, einer durch Klugheit, Charakter und Ordnungssinn ausgezeichneten Dame. Wie seine erste Ehe sehr glücklich gewesen war, so war es seine zweite. Die erste Frau hatte ganz ihm gelebt, die zweite – es war die schönste Aufgabe, die sie sich stellen konnte – lebte dem Haus und den Kindern.
1880 nahm er den Abschied aus seinem Amt und schuf sich ein neues Heim in dem zwischen Neumünster und Heide gelegenen Kirchdorfe Hademarschen. Während er hier im Sommer genannten Jahres den Hausbau überwachte, schrieb er an Erich Schmidt die für Storms Denk- und Gefühlsweise charakteristischen Zeilen: »Gestern in der einsamen Mittagsstunde ging ich nach meinem Grundstücke und konnte mich nicht enthalten, in meinem Bau herumzuklettern; auf langer Leiter nach oben, wo nur noch die etwas dünnen Verschalungsbretter lose zwischen den Balken liegen und wo die Luft frei durch die Fensterhöhlen zieht. Ich blieb lange in meiner Zukunftsstube und webte mir Zukunftsträume, indem ich in das sonnige, weithin unter mir ausgebreitete Land hinausschaute. Wie köstlich ist es zu leben! Wie schmerzlich, daß die Kräfte rückwärts gehen und ans baldige Ende mahnen. Einmal dachte ich, wenn nun die Bretter brächen oder die Sicherheit deiner Hände oder Augen einen Augenblick versagte, und man fände den Bauherrn unten liegen als einen stillen Mann. Ich ging recht behutsam nur von einem festen Balken zu dem andern; und draußen flimmerte die Welt im mittagstillen Sonnenschein. Sehen Sie, so schön erscheint noch heute im dreiundsechzigsten Jahre trotz alledem mir Welt und Leben.«
In diesem seinem Hause zu Hademarschen verlebte Storm noch glückliche Tage; mehrere seiner glänzendsten Erzählungen: »Zur Chronik von Grieshuus« und »Ein Fest auf Haderslevhuus« sind hier entstanden.
Als er siebzig wurde, ward ihm von allen Seiten her gehuldigt, und auch Berlin, als er es im selben Jahre noch besuchte, veranstaltete ihm eine Feier. Die Besten nahmen teil, an ihrer Spitze sein Landsmann und Freund Theodor Mommsen. Man empfing von ihm einen reinen, schönen Poeteneindruck. In allem Guten war er der alte geblieben, und was von kleinen Schwächen ihm angehangen, das war abgefallen. Alt und jung hatten eine herzliche Freude an ihm und bezeugten ihm die Verehrung, auf die er so reichen Anspruch hatte. Als Lyriker ist er, das mindeste zu sagen, unter den drei, vier Besten, die nach Goethe kommen. Dem Menschen aber, trotz allem, was uns trennte, durch Jahre hin nahegestanden zu haben, zählt zu den glücklichsten Fügungen meines Lebens.
Fünftes Kapitel
Leo Goldammer. Heinrich Smidt. Hugo von Blomberg. Schulrat Methfessel
Leo Goldammer
Leo Goldammer (Hans Sachs) kam, wie so viele Vereinsgenossen, um
1848 in
den Tunnel und fand dort schon einen Goldammer vor. Dieser ältere Goldammer war ein Obertribunalsrat und hatte für den Neuhinzukommenden, der Bäcker war, nicht allzuviel übrig. Wäre dieser Neuhinzukommende bloß ein Namensvetter gewesen, so hätte sich über das »heitere Spiel des Zufalls« lachen lassen, aber der neue Goldammer war kein Namensvetter, sondern ein richtiger Vetter, Großvaters-Brudersohn. Und das störte denn doch.
Namentlich unsrem Leo Goldammer waren die, wie sich denken läßt, nicht gut zu vermeidenden allsonntäglichen
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