Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
goldenen Nüsse geworfen und gefangen hatten. Von ihrem Glücke schwiegen sie, denn sie hatten eine Scheu, daß es fortfliegen könnte, wenn es genannt würde. Nur einmal kam es wie von ungefähr dazu. Das war an dem Tage, wo der Bohlsdorfsche Pastor, auf einer Dienstreise begriffen, bei seinem Hohen-Vietzer Amtsbruder vorgesprochen und zugleich auch einen Besuch auf dem Schulzenhofe gemacht hatte. Als Marie davon erzählte, sagte Lewin: »Ach, du weißt nicht, Marie, wie viel ich diesem alten Bohlsdorf und seiner Kirche verdanke. Vor allem dich . Dort begann ich zu genesen, noch eh’ ich wußte, daß ich krank war. Wie blind ich doch war und wie selbstsüchtig! Aber nun hab’ ich sehen gelernt und habe dich, dich, mein Glück und meine Goldsternprinzessin.«
Es war unmittelbar nach diesen Worten, daß Berndt in das Zimmer trat und, das Erröten Maries wahrnehmend, ihr lächelnd und mit väterlicher Zärtlichkeit die Stirn küßte. Sie sah vor sich nieder und zitterte vor Bewegung, denn sie fühlte wohl, was ihr dieser Augenblick bedeute. Gleich darauf verabschiedete sie sich, um Vater und Sohn allein zu lassen.
Als sie gegangen war, sagte Berndt: »Ich freue mich eures Glücks, Lewin, trotzdem ich noch nicht weiß, was ich all den Vitzewitzes, die draußen in der Halle hängen, zu sagen haben werde, wenn ich über kurz oder lang an anderer Stelle unter ihnen erscheine. Aber ich werde noch manch anderes vor ihnen zu verantworten haben. Ungehorsam und Auflehnung standen auch nicht in unserem Hauskatechismus, und ich denke, eines rechnet sich dann ins andere, und das Kleine wird in dem Großen mit aufgehen. Und nun nichts mehr davon. Ist es in den Sternen anders beschlossen, so wird eine französische Kugel mitsprechen. Gott verhüt’ es! Haben wir dich aber wieder, so haben wir auch Hochzeit. Und eines weiß ich, sie wird uns freilich den Stammbaum, aber nicht die Profile verderben, nicht die Profile und nicht die Gesinnung. Und das beides ist das Beste, was der Adel hat.«
Und abermals lagen Tage zurück, und Renate, die sich in ihren einsamen Stunden, wenn nicht die Heiterkeit, so doch die Klarheit ihrer Seele zurückgewonnen hatte, saß wieder teilnehmend im Kreise der Ihrigen. Am andern Morgen sollten Lewin und Hirschfeldt nach Breslau hin aufbrechen. Sie waren in Vorbereitung für ihre Reise und packten eben an ihren Mantelsäcken, als sie vom Eckfenster her, zwischen den Pfeilern der Auffahrt, plötzlich eines Reiters gewahr wurden, der auf seinem Shetländer in den Hof einritt. Also Bamme. Alles lief ans Fenster, und selbst die Schorlemmer vergaß auf einen Augenblick ihre Abneigung. Denn sie war streitlustig, und neue Fehden standen jetzt in Aussicht. Am erfreutesten war Berndt, der es längst aufgegeben hatte, sich über die Schrullen und Eitelkeiten des Alten zu ereifern.
»Nun, Bamme«, hob er an, als dieser sich gesetzt und ein Tablett mit Likören rasch hintereinander absolviert hatte, »wie war der Groß-Quirlsdorfer Befund? Dorf, Pfarre, Kanzel?«
»Gut, Vitzewitz, über Erwarten gut. Er hat eben seinen Frieden mit mir gemacht. Gleich am andern Tage war Kirche. Da mußte sich’s also zeigen, und neugierig, wie ich bin, wartete ich nicht einmal das dritte Läuten ab. Das strafte sich nun freilich, denn das Orgelspiel wollte kein Ende nehmen, und mir war ein paarmal, als würde das ganze Gesangbuch durchsungen. Aber endlich kam er, und was glauben Sie, worüber er predigte? Über Saul und David predigte er. Und immer wieder hieß es: ›Saul hat tausend geschlagen, aber David hat zehntausend geschlagen.‹ Nun, Vitzewitz, wir wissen am besten, daß wir unserer Reputation diese Zehntausend eigentlich noch schuldig sind; aber enfin, der ewige kleine David, wer konnt’ es am Ende sein? Anfangs sträubt’ ich mich, bis ich mich schließlich drin ergab. Und so wissen Sie denn jetzt, meine Damen und, worauf ich ein besonderes Gewicht lege, auch Sie, meine liebe Schorlemmer, wer eigentlich unter Ihrem Dache weilt. Ein neuer Beweis für den alten Satz: Wer nur alt genug wird, wird alles.«
Das Geplauder ging noch weiter, und ehe Mittag heran war – das Diner sollte nicht vor vier Uhr genommen werden –, machte Bamme den Vorschlag, zu Drosselstein hinüberzureiten, um »Ostpreußen mal wieder auf Herz und Nieren zu prüfen.«
Berndt war es zufrieden, und nach einigen Minuten wurden die Pferde vorgeführt.
Als sie bei Miekleys Mühle vorüber waren, sagte Berndt: »Was ich Ihnen sagen wollte,
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