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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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gelegen hatte. Ich musste sie aus dieser ekligen Höhle herausbringen, und das schnell.
    »Erzähl’s mir später, Schatz. Du bist durch den Geheimgang gekommen – wo ist der?«
    Helena half mir, am Boden nach dem Loch zu tasten, in das sich die Fragesteller hineinquetschen mussten. Durch diesen Spalt sogen »übernatürliche Kräfte« sie hindurch, und dann – wenn sie Glück hatten – spuckten die sogenannten Götter sie später in die Kammer zurück. Das Ganze war etwa zwei Fuß lang und einen Fuß hoch. Ein pummeliger Feinschmecker würde stecken bleiben.
    Oh, verdammte Inzucht. Das Ding war zu eng. Heiße Wogen primitiver Furcht schwappten über mich hinweg. Das hier war mein schlimmster Alptraum. Bevor ich hinuntergestiegen war, hatte ich mir eingeredet, es müsse einen hübsch behauenen Korridor geben. Selbst wenn der Geheimgang für Jungs und Zwerge gemacht worden war, hatte ich ihn mir als begehbar vorgestellt – vielleicht mit einer netten Tür zu dieser Kammer.
    Weit gefehlt. Wieder mal hatte mich das Pech eingeholt. Wir mussten uns auf den Boden legen und mit den Füßen voran durch das heilige Strudelloch quetschen.
     
    L
    Keine Naturgewalt oder Gottheit ergriff uns.
    Wir legten uns hin, benutzten unsere eigene Kraft, um die Füße durch die Lücke zu schieben, und schlängelten uns mit dem Körper hinterher. Helena rutschte als Erste los, bevor ich sie davon abhalten konnte – aber sie war auch auf diesem Weg hereingekommen und daher zuversichtlicher. Ich spürte, wie sie von mir wegglitt, und hörte dann gedämpfte Ermutigungsrufe. Ich folgte Helena und zwängte mich in eine andere stockdunkle Aushöhlung, in der man nur halb aufgerichtet kriechen konnte. Sie tastete sich an der linken Wand entlang und zog mich ein ganzes Stück durch einen Tunnel, der einem das Kreuz brach, zu einer Tür, die nach draußen führte. Mit ungeheurer Erleichterung kamen wir in einem vom Mond beschienenen Hain heraus.
    Wir richteten uns auf und atmeten die kühle Nachtluft ein.
    »Also, das ist drastisch – aber wirksam! Ein Diener des Heiligtums kriecht mit einem Knüppel da rein. Einige Fragesteller kriegen eine solche Gehirnerschütterung, dass sie nie wieder richtig zu sich kommen. Große Götter, Liebste, das hätte auch dir passieren können.«
    Helena umarmte mich tröstend. »Möglicherweise war das kein Priester. Das ist sogar ziemlich unwahrscheinlich. Jemand könnte gehört haben, wie ich mit den Jungs redete, und ist mir gefolgt. Als ich in die Hauptkammer kroch, konnte ich in der Dunkelheit nichts sehen, und deshalb hab ich mich zurück zum Tunnel geschlängelt. Dort hörte ich jemanden. Ich zog mich in die Hauptkammer zurück, aber er folgte mir wieder. Ich hab ihn ziemlich fest an den Haaren gezogen und ihm eins aufs Auge versetzt, glaube ich. Sein Schlag rutschte ab, aber ich stöhnte ganz laut und tat so, als wäre ich erledigt.«
    »Du bist sofort ohnmächtig geworden. Mach mir doch nichts vor.«
    »Das war nur gespielt, Marcus.«
    »Blödsinn. Ich hab dich gefunden, vergiss das nicht. Du wirst mir jetzt versprechen, Helena Justina, niemals wieder etwas so Lächerliches zu tun.«
    »Ich verspreche es«, sagte sie rasch. Das hatte so viel Gewicht wie die Behauptung einer Marktfrau, ihre Eier seien frisch. »Sie werden nie zugeben, wie sie beschummeln, Marcus.«
    »Nein, nicht mal mit deinem Beweis.«
    »Die Jungs, die mir den Weg gezeigt haben, erzählten mir, alle im Heiligtum glauben, gestern sei ein Fremder eingedrungen und hätte Statianus verschleppt. Was ihm auch zugestoßen sein mag, es war von den Oberen nicht geplant.«
    »Die Priester glauben also nicht, dass die Götter ihn zu sich geholt haben?«, fragte ich trocken.
    »Sie haben jemanden im Hain herumschleichen sehen.«
    »Beschreibung?«
    »Nur ›eine schattenhafte Gestalt‹, fürchte ich.«
    »Ach, mal wieder die alte ›schattenhafte Gestalt‹? Ich frage mich, ob sie Phineus oder Polystratus heißt – oder ist jemand anderes unserem Mann hierher gefolgt?«
    »Es muss jemand sein, der weiß, wie das Orakel tatsächlich funktioniert«, sagte Helena.
    »Jemand, der in der Reisebranche arbeitet, könnte eine gute Vorstellung davon haben!«
     
    Wir knöpften uns die Priester vor. Sie entließen Lampon in meine Obhut und behaupteten, ihre Wächter hätten den Dichter fälschlicherweise für einen Dieb gehalten. Tapfer machte er einen Witz darüber, dass sein Verhalten etwas Verstohlenes hätte und er sich nur schlecht verbal

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