Delphi sehen und sterben
ausdrücken könnte. Das entsprach meinem Stil. Noch ein paar Wochen in meiner Gesellschaft, und Lampon würde das Schreiben aufgeben, aus Liebe heiraten und lernen, wie man als Stiefelflicker gutes Geld verdiente …
Ich warf den Priestern vor, das Orakel zu manipulieren. Sie bezichtigten mich der Blasphemie. Wir einigten uns, das, was Fragestellern angetan wurde, als »göttliche Manipulation zum Zwecke der Wahrheit« zu bezeichnen – wobei meine Definitionen von »göttlich« und »Wahrheit« von ihren abwichen.
Um den guten Namen des Orakels zu schützen, waren sie begierig, den Beweis zu erbringen, dass ein Bösewicht Statianus aus der Kammer geholt und derselbe Mann auch Helena angegriffen hatte. Für sie wäre es zu riskant gewesen, wenn andere Pilger erfuhren, dass der Abstieg in die Kammer eine echte Gefahr in sich barg. Die offizielle Geschichte lautete, dass nur ein einziger Mann je durch die Hände von Trophonios gestorben war und dass er – bekannt als der zwielichtige Leibwächter eines Mannes namens Demetrios – bloß in die Höhle hinabgestiegen war, um Gold und Silber zu stehlen. Sein Schicksal verdankte er göttlicher Rache, laut den Priestern. Ich sagte ihnen, ich hätte einen gesunden Respekt vor Rache.
Nach einer dämlichen Ausflucht mit der Behauptung, Trophonios habe unseren Mann für die Unterwelt gefordert, hörten die Priester mit dem mystischen Schwachsinn auf und gestanden ihre eigene Verblüffung ein. Sie leugneten rigoros, einen Mann mit einem Knüppel hineinzuschicken, um Leuten eins über den Schädel zu geben. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob das mit Statianus geschehen war oder ob der mysteriöse Mann ihn als Erster erwischt hatte.
Nervös wegen zukünftiger Einnahmen, erzählten mir die Priester jetzt alles, was sie wussten. Tullius Statianus war einen Tag, nachdem Helena und ich ihn in Delphi getroffen hatten, zu ihnen gekommen. Jemand hatte ihm von einer felsigen Abkürzung erzählt, und daher war er schnell vorangekommen.
Beim Heiligtum hatte Statianus behauptet, er sei in Gefahr. Die Priester hatten einfach angenommen, dass er wie viele ihrer Kunden von Dämonen verfolgt wurde – Hirngespinste einer gequälten Einbildungskraft. Ohne weiter darüber nachzudenken, hatten sie ihn mit Ritualen vorbereitet und ihn in die Kammer geschickt. Als die bronzene Falltür nach der üblichen Zeit wieder geöffnet wurde, war er, statt im Schock auf dem Boden zu liegen, einfach verschwunden.
Ich glaubte ihnen. Durch Lügen hatten sie nichts zu gewinnen. Sie mussten die Fragesteller nach der Tortur lebend herausholen. Tote würden dem zukünftigen Geschäft nur schaden.
Erst nachdem sie merkten, dass Statianus verschwunden war, hatten die Tempeldiener miteinander geredet und sich erinnert, einen unbekannten Mann im Hain gesehen zu haben. Inzwischen war es zu spät. Niemand hatte zu dem Zeitpunkt mit ihm gesprochen. Niemand hatte ihn seither gesehen.
»Hat ein Reiseveranstalter aus Rom namens Sieben Stätten und geführt von einem Mann namens Phineus jemals Kunden zum Orakel gebracht?« Gelegentlich. Die Priester unterstützten das nicht. Touristen warfen für gewöhnlich nur einen verängstigten Blick darauf und lehnten es dann ab, das Ritual durchzuführen. Ihr Besuch brachte kein Geld und verschwendete nur Zeit. »Aber Sie kennen Phineus. Könnte er der herumschleichende Mann gewesen sein?« Zu weit entfernt, um das sagen zu können. »Ist mal jemand seinem Kumpel Polystratus begegnet?« Nicht, soweit sie wüssten.
Erschöpft und frustriert mussten wir aufgeben. Wir hatten gesucht, hatten die richtigen Fragen gestellt. Sollte etwas Neues auftauchen, würde dem Statthalter eine Nachricht geschickt werden. Unsere Aufgabe beim Orakel war beendet.
Lebadaia zu verlassen fiel uns schwer, da uns Schuldgefühle bedrängten, Statianus im Stich gelassen zu haben. Uns blieb keine andere Wahl. Hier konnten wir nichts mehr tun. Am nächsten Tag sorgten die Priester für Transportmittel, und wir begaben uns zur Küste. In einem Fischerdorf gingen wir an Bord eines Schiffes und segelten zurück über den Golf von Korinth. Unsere Stimmung war gedrückt.
Wir landeten in Lechaion und hatten das Gefühl, die letzten paar Tage wären eine Katastrophe gewesen. Der Erste, dem wir begegneten, war ein Soldat in Uniform. Er erzählte mir, er sei von Aquillius an den Hafen beordert worden, um nach Phineus Ausschau zu halten. Also war der Drecksack tatsächlich entkommen. Als Ausguck
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