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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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taugte der Soldat nicht viel. Helena packte mich am Arm. Von einem anderen Schiff ging ein weiterer Verdächtiger an Land. Diesen Mann hatten wir seit Wochen nicht mehr gesehen. Wir beobachteten, wie er diverse große Amphoren ausladen ließ, vermutlich gefüllt mit Wein oder Meeresfrüchten. Er machte Witze mit den Seeleuten und wirkte vollkommen unbesorgt.
    Ich schickte Helena mit Lampon voraus nach Korinth zu unserem Jungvolk im Elefant. Ohne den Wachposten zu alarmieren, ging ich hinüber und begrüßte den Neuankömmling, der gerade eine unhandliche bauchige Amphore auf einen bereits beladenen Eselskarren wuchtete.
    »Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Didius Falco. Wir haben uns in Rom kennengelernt. Ich muss dringend mit Ihnen reden, Polystratus.«
    Polystratus, der Vermittler, vergaß nicht, erstaunt zu gucken, mich hier in Griechenland anzutreffen – wenngleich ich das Gefühl hatte, dass es überhaupt keine Überraschung war.
     
    LI
    Polystratus trug die lange kotzgelbe Tunika, an die ich mich von unserer ersten Begegnung in der schäbigen Bude von Sieben-Stätten-Reisen an der Alta Semita erinnerte. Ich bemerkte, dass er kleiner war als ich und einst schlanker gewesen sein musste, obwohl er aussah, als könnte er sich im Gedränge gut durchsetzen. Falsche Ernährung und zu viel Wein hatten ihm einen Speckgürtel verschafft. Er war immer noch der kugelbäuchige Gauner mit dem dunklen Bartschatten, voll von prahlerischem Geschwätz. Er kam mir gewiefter vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich würde aufpassen müssen, wie ich mit ihm umging.
    Ich führte ihn in eine nahe gelegene Fisch-Caupona. Davor gab es zwei Tische. An dem einen würfelten zwei Einheimische und stritten sich leise. Wir nahmen den anderen. Von hier konnte man Boote anlegen sehen und Fischer beobachten, die sich am Kai mit ihren Netzen abmühten. Eine Pergola spendete Schatten, und es roch nach gebratenem Oktopus. Sofort erschien ein Wasserkrug auf unserem Tisch, aber danach wurden wir nicht mehr belästigt.
    Nachdem ich inzwischen Phineus kennengelernt hatte, bemerkte ich die Ähnlichkeit mit diesem Mann. Polystratus setzte sich mit derselben fröhlichen, unbekümmerten Art, als verbrächte auch er viel Zeit damit, sich in Weinschenken und Restaurants mit Kontaktleuten zu unterhalten. Das war seine natürliche Umgebung. Als er mich angrinste, war zu sehen, dass auch ihm Zähne fehlten, allerdings mehr als die zwei, die Phineus abhandengekommen waren. Erstaunlicherweise hatte ich vergessen, welche Riesenlücke Polystratus’ Mund entstellte.
    »Gerade gelandet?«, fragte ich.
    Er ließ sich nichts anmerken. »War auf der anderen Seite des Golfs.«
    »Delphi?«
    »Genau.« Ohne zu zögern. Ihm war anscheinend bekannt, dass ich wusste, dass Phineus jemanden nach Delphi geschickt hatte. Jetzt fragte ich mich, ob Phineus auch dort gewesen war.
    »Ganz allein?«
    »Oh, ich bin ein großer Junge! Jemand sagte,
Sie
hätten sich Delphi angeschaut.«
    »Wer hat Ihnen das erzählt?« Keine Antwort. Polystratus hatte einen Anfall von Verkäufertaubheit. »Sie wussten, dass ich in Griechenland bin?«
    »So was spricht sich herum.« Er schien mir jegliche Täuschungen zu verzeihen. »Unser Treffen in Rom war demnach kein totaler Zufall?«
    »Rein geschäftlich.« Er bat mich nicht um eine Erklärung. »Und warum sind Sie nach Delphi gereist, Polystratus?«
    »Um nach dem armen Statianus zu suchen.«
    »Haben Sie ihn gefunden?«, fragte ich rasch.
    »Allerdings.« Also war es tatsächlich Polystratus, der zu dem Gasthof in Delphi gekommen war und mit Statianus gegessen hatte. »Der Mann hatte so seine Schwierigkeiten. Wir lassen unsere Kunden nicht gern allein mit so was fertig werden.«
    »Ach ja? Könnten Sie dafür sorgen, dass Ihr Kunde die Lotterie von Delphi gewinnt und dem Orakel eine Frage stellen kann?«
    »Manchmal gelingt uns das«, prahlte Polystratus. Und manchmal nicht, dachte ich. Aber man wusste ja nie. In einer Provinz wie dieser, wo die antiken Stätten politisch an Boden verloren und es auf den Handel ankam, könnten sich selbst die angesehensten Einrichtungen bei einer Firma einschmeicheln, die dreist genug war und viele Besucher bringen konnte. Bestechungen würden helfen. Sieben-Stätten-Reisen dürfte seinen Geschäftserfolg hauptsächlich dem Wissen verdanken, wann man Schmiergelder zahlte, an wen und wie viel. Selbst in Delphi könnte das klappen.
    »Haben Sie angeboten, für Statianus Fragerechte zu erwerben?«
    »Nein.«

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