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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Zeug verlud, doch ich sprach ihn an. »Konnten mich nicht festhalten. Hatten nichts gegen mich in der Hand«, versicherte er mir mit einem unverschämten, zahnlückigen Grinsen.
    »Und wo waren Sie dann, nachdem Sie geflohen sind – oder sollte ich sagen, nachdem Sie ›entlassen‹ wurden?«
    »Auf der Suche nach meinem Partner. Wir haben uns gefunden – ist das nicht nett?«
    »Sind Sie nach Delphi gereist?«
    »Warum hätte ich das tun sollen?«, fragte Phineus.
    Polystratus schenkte mir ein gleichartiges Grinsen. »Geben Sie auf, Falco!«
    »Ich habe bisher noch nie einen Fall aufgegeben.« Keiner meiner bisherigen Fälle hatte mich so stranden lassen.
    Der Tag war strahlend und sonnig, doch die Reisenden hatten sich wie eine Kohorte versammelt, die zu einem Ausdauertraining in die fernen Schneeberge von Pannonien aufbrach. Abgesehen von den Sertorii hinter ihren fest zugezogenen Ledervorhängen, saßen einige auf Eseln, andere gingen zu Fuß. Sie hatten sich alle in schwere Wollmäntel gehüllt, und mehrere Frauen hatten auch noch Decken um ihre Schultern gelegt. Amaranthus trug knielange Reithosen – obwohl er zu Fuß ging. Beim Aufbruchsignal kreischten die Frauen aufgeregt, und alle setzten breitkrempige Hermeshüte auf. Sie überprüften die Geldbeutel, die sie unter ihren Mänteln an Schnüren um den Hals trugen.
    In letzter Minute kam es zu einer Verzögerung, als Sertorius Niger aus seinem Wagen kletterte, um im Gepäck nach dem Brett für seine Reise-Tabula zu suchen. Mit einem Zungenschnalzen blickte Indus betont auf seine tragbare Sonnenuhr. Volcasius machte sich bereits detailliert Notizen auf seiner Wachstafel.
    Wir winkten ihnen nach. Niemand hatte uns nach Statianus gefragt. Sie wussten noch nicht, dass wir uns alle in Athen wiedersehen würden, wenngleich die Klügeren vermutlich damit rechneten. Sie wollten einfach nur weg. Die Erleichterung, endlich ihre Reise fortsetzen zu können, hatte sie alle übermütig gemacht. Vielleicht war einer von ihnen sogar noch glücklicher, weil er glaubte, er sei der Entdeckung als Mörder entkommen.
    Helena und ich sahen ihnen mit einer Mischung aus Verdruss und Melancholie nach.
     
    Der Quästor war ebenfalls zur Verabschiedung erschienen. Ich teilte ihm mit, dass auch wir abreisen würden.
    »Ich werde Lampon hierbehalten. Diesen Zeugen, den Sie gefunden haben«, beharrte Aquillius. Vielleicht dachte er, wir wären scharf auf einen hauseigenen Dichter. Da hatte er sich getäuscht.
    »Aber gerne. Lassen Sie ihn jedoch Dichterlesungen abhalten. Er braucht das Geld.«
    »Was haben Sie für ein so großes Herz, Falco.«
    »Ich bin stets dafür, sich um Zeugen zu kümmern. In meinem Gewerbe finde ich so wenige davon.«
    »Geben Sie mir irgendwas, das mit Statianus in Verbindung steht.« Der Quästor wollte wirklich helfen. Er flehte mich regelrecht an. »Irgendeinen Teil von ihm. Irgendwas, das direkt auf den Mann hinweist – und ich nehme sofort eine Verhaftung vor, das verspreche ich Ihnen.«
    Ich wusste, dass er es ernst meinte. Er war nicht schlimmer, und in gewisser Weise viel besser, als die meisten jungen Männer auf Beamtenposten. Er besaß ein einnehmendes Wesen und hatte der Bestechung widerstanden. Nachdem wir Korinth verließen, sah ich ihn nie wieder. Im folgenden Jahr gab es ein verheerendes Erdbeben, dem auch Aquillius zum Opfer fiel.
    Was uns betraf, brauchten wir ohne seine finanzielle Hilfe viel zu lang, um Athen zu erreichen. Wir nahmen die Straße, ohne zu wissen, dass die Überlandroute vom Isthmus eine der schlimmsten des Imperiums war. Sie verlief in Windungen hoch zwischen abschüssigen Berggipfeln über dem Saronischen Golf. Der Pfad war oft so schmal und ausgewaschen, dass ihn nur trittsichere Esel im Gänsemarsch bewältigen konnten. Manchmal verloren Packtiere den Halt und stürzten über die steilen Abhänge ins Meer. Dieser Weg war seit Jahrhunderten berüchtigt. Helena sagte, hier hätten herzlose Räuber wie der legendäre Skiron den Reisenden aufgelauert und sie gezwungen, ihm die Füße zu waschen, bevor er sie mit einem ordentlichen Tritt über die Felswand beförderte.
    Ich stöhnte und sagte, eine gute Legende sei mir immer willkommen. Dann führte ich uns den Pfad hinunter ans Meer bei Megara. Helena verkaufte etwas Schmuck, und wir nahmen für den restlichen Weg nach Piräus das Schiff.

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    TEIL FÜNF
    ATHEN
    »Besucher pflegten beim ersten Anblick zu bezweifeln, dass dies die berühmte Stadt der Athener war,

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