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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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wahrscheinlich noch auf der Reise von Korinth. Hinter dem Fensterladen übernahmen die kleinen Eulen von Athen die Stadt. Das Schnarchniveau im Zimmer erhöhte sich allmählich, angeführt von Nux; der Lärmpegel draußen auf den Straßen senkte sich ebenso allmählich. Dadurch konnte ich das Quieken und Rascheln der Athener Ratten hören.
    Als wir von Piräus hergekommen waren, hatte ich meine Umgebung kaum wahrgenommen, aber mein müdes Hirn schien sie festgehalten zu haben. Jetzt brachen meine ersten Eindrücke wieder durch. In jeder Stadt wirken die Straßen vom Hafen staubig und verarmt, sind für gewöhnlich mit Werkstätten seltsamer Gewerbe und mit Spelunken gesäumt, denen selbst die Einheimischen fern bleiben. Ich lächelte vor mich hin, als ich an die verwahrloste Gegend dachte, die Besucher willkommen hieß. Athen verfiel. Ja, Athen verfiel bereits seit drei oder vier Jahrhunderten. Sein goldenes Zeitalter war tagsüber durch die trübsinnigste Art von Dorfleben und nachts durch die wüstesten Ausschweifungen ersetzt worden. Ich befand mich nun im Herzen von Griechenland, dem Griechenland, das Rom mit Kunst, Literatur, Mathematik, Medizin, Militärtechnik, Mythen, Recht und politischem Denken versorgt hatte. Und in Athen, der goldenen Stadt des Perikles, mochten die berühmten Plätze mit pulsierendem Leben erfüllt sein, doch die klapprigen Häuser waren heruntergekommen, der Müll stank in der kristallklaren Luft, Ratten huschten überall herum, und der Panathenäenweg war voll von herumirrenden Schafen.
    Eine Eule schrie ganz in der Nähe. Da das Zimmer jetzt mit sieben Menschen gefüllt war, wurde es gefährlich warm. Als ich gerade etwas dagegen unternehmen wollte, bevor jemand erstickte und den Styx überquerte, schlief ich wieder ein.
     
    Sie überlebten alle. Am nächsten Morgen fühlte ich mich, als hätte ich Kaninchenkötel verschluckt, aber die anderen waren bester Laune. Helena und Albia waren losgezogen, um für das Frühstück einzukaufen. Ich hörte die Jungs draußen auf der Straße schwungvoll Ball spielen. Auf dem, was für einen Balkon durchging, sprach der junge Glaucus mit Aulus über Sprinttechniken.
    Ich putzte mir die Zähne mit einem alte Bratspieß und einem Schwammstück, spritzte mir Wasser ins Gesicht, kämmte meine Haare und zog die Tunika von gestern verkehrt herum an. Reisen glich meinen Anfangsjahren als schäbiger Privatschnüffler. Der junge Glaucus achtete darauf, immer gepflegt zu sein, aber Aulus hatte sich, nach den ungekämmten Haaren und der verknitterten Tunika zu schließen, das Leben eines faulen Junggesellen angewöhnt. Ich schloss mich den beiden an und begrüßte meinen Schwager mit Zuneigung. »Sei gegrüßt, du vorbildlicher Partner! Tja, da hast du mich ja ganz schön in die Scheiße geritten.«
    »Ich dachte mir, dass es dich faszinieren würde«, gluckste Aulus. Dann gewann sein Kater die Überhand; Aulus wurde bleich und hielt sich den Kopf. Glaucus und ich brachten ihn in eine liegende Stellung, und da der Balkon nun überfüllt war, ging Glaucus zum Training. Ich blieb in stiller Nachdenklichkeit sitzen, bis Aulus so weit war, sich meinen Bericht anzuhören.
    Von Helenas beiden Brüdern machte mich Aulus am wachsamsten. Ich wusste nie, wohin er als Nächstes hechten würde. Trotzdem war es gut, ihn wiederzusehen. Wir hatten zusammen gearbeitet, und ich hatte ihn schätzen gelernt. Er war etwa so groß wie ich, stämmig, doch mit dem Körper eines jungen Mannes – nicht so hart wie meiner und mit weniger Narben. Er besaß das Aussehen der Familie, Augen und Haare dunkel, dazu den Familienhumor und Intelligenz. Selbst in Griechenland, dem Land der Bärte, blieb er sauber rasiert wie ein guter Römer. Er war schon immer konservativ gewesen. Ursprünglich hatte es ihm gar nicht gepasst, dass seine Schwester mit einem Privatermittler zusammenlebte; später, glaube ich, hatte er die guten Seiten daran erkannt. Wie dem auch sei, er nahm unsere Ehe als Tatsache hin, vor allem, nachdem wir Kinder bekamen. Als Onkel war er mit Julia und Favonia vorsichtig, noch immer zu ungeübt, um sich mit sehr kleinen Kindern wohl zu fühlen.
    Mit seiner Ämterlaufbahn hatte es Probleme gegeben. Er hätte in den Senat eintreten sollen und konnte es immer noch, wenn er wollte. Die Camilli hatten einen Verwandten, der sie entehrt hatte. Das war nicht gerade hilfreich. Dann hatte sich Aulus mit seinem Bruder Quintus darüber zerstritten, wer eine bestimmte Erbin heiraten

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