Delphi sehen und sterben
Promi-Gästehaus befand, bin ich einfach hinmarschiert und hab Theater gemacht.«
»Aquillius schien überzeugt zu sein, dass Statianus der Schuldige war«, sagte ich.
»Niemals!«
Alle Blicke richteten sich auf Cleonyma. Ja, sie genoss das Drama. Trotzdem war ihr Urteil das einer scharfsinnigen, aufmerksam beobachtenden Frau. »Ich sah ihn, direkt nachdem er sie gefunden hatte. Sein Gesicht werde ich nie vergessen. Der Junge ist unschuldig.«
»Aquillius Macer muss ziemlich unerfahren sein«, sinnierte Helena. Amaranthus schnaubte. Er schätzte den Quästor als einen Mann ein, der seine eigene Mutter missbrauchen würde. Cleonymus beleidigte die Patrizierin noch viel anzüglicher. Er stellte nicht nur den Erzeuger des Quästors in Frage, sondern meinte, dass da ein Tier beteiligt gewesen sein müsse. Und zwar keines von den knuddeligen. Helena lächelte. »Sie wollen damit sagen, dass Aquillius seinen Weg nicht aus dem Hafersack finden könnte?«
»Nicht mal, wenn er eine riesige Karte hätte«, stimmte Amaranthus zu und trank verdrießlich von seinem Wein.
Bisher hatte Helena ihren Becher kaum angerührt, und nun schenkte sie sich selber nach. »Ich hätte da noch eine Frage. Ihre Reise wird doch angeblich begleitet. Also, wo ist Ihr Reiseleiter Phineus?«
Schweigen senkte sich herab.
»Die Leute halten Phineus für wunderbar«, bemerkte Cleonyma, an niemand Bestimmten gewandt. Sie ließ die Aussage im Raum stehen.
»Ein oder zwei Leute finden ihn absolut furchtbar«, widersprach ihr Mann, doch sie stritten sich nicht darüber.
»Hat Phineus nach dem Mord geholfen?«, drängte Helena. »Bezahlen Sie ihn nicht dafür, Ihnen Schwierigkeiten vom Hals zu halten?«
»Er tat, was er konnte«, schnaubte Cleonymus. »Was nicht viel war – allerdings hätte
niemand
viel tun können angesichts dessen, dass Aquillius entschlossen war, uns in dem Zelt festzuhalten, bis er jemanden verhaften konnte – und kläglich dabei versagte, zu entscheiden, wer das sein sollte. Nur die Tatsache, dass Aquillius zurück nach Korinth wollte, brachte ihn dazu, uns alle freizulassen. Selbst dann …« Cleonymus warf mir einen finsteren Blick zu »… war unsere Begnadigung nur vorläufig.«
»Was genau hat Phineus denn nun wirklich für Sie getan?«, fragte ich.
»Sorgte dafür, dass wir zu essen hatten und der Wein trinkbarer wurde«, teilte mir Minucia bissig mit. »Ich dachte, er würde uns eine bessere Unterkunft besorgen, aber da passierte nichts. Doch er bemühte sich weiter, redete mit Aquillius. ›Verhandle für uns‹, behauptete er.«
»Aquillius hat nur Lob für ihn.«
»Nun ja …« Amaranthus benutzte die bedeutsame, manirierte Vortragsweise, die eine Aussage mit einem Witz kombinierte. »Wir haben doch zur allgemeinen Befriedigung festgestellt, nicht wahr, dass Aquillius Macer sich in einem leeren Sack verlieren könnte.«
Ich lächelte über seine Worte. »Also, meine Freunde – irgendeine Ahnung, wo sich Ihr wunderbarer Reiseleiter momentan aufhält?«
Anscheinend verdiente sich Phineus ein paar Drachmen dazu und war mit anderen römischen Reisenden nach Kythera getrottet, während er darauf wartete, dass diese Gruppe weiterreisen durfte. Einen Verdächtigen nach Kythera, einer Insel am südlichsten Ende des Peloponnes, reisen zu lassen kam mir verdammt weit vor.
»Ich hoffe um ihretwillen, dass er sie nicht zu diesem hinterhältigen Purpurschnecken-Verkäufer führt, der uns letztes Jahr übers Ohr gehauen hat«, sagte Cleonyma. Aus diesen Schnecken gewinnt man den Farbstoff, um Kleidungsstücke purpurn einzufärben. Die Preise sind phänomenal. Cleonyma und ihr Mann verfügten anscheinend über intime Kenntnisse beim Einkauf von Luxusgütern.
Da wir ihre Kenntnisse über den Mord erschöpft zu haben schienen, fragte Helena Cleonyma über ihre vorherigen Reisen aus. Obwohl es für das Paar die erste Reise mit Sieben Stätten war, handelte es sich bei ihnen um alte Hasen.
»Wir reisen schon seit zwei Jahren. Solange wir dazu in der Lage sind, machen wir weiter. Das Geld stammt von unserem ehemaligen Herrn. Er hatte eine Menge davon – hauptsächlich, weil er jahrzehntelang nichts ausgegeben hat. Das Leben bei ihm war verdammt hart, vor allem, nachdem er krank wurde. Doch schließlich veränderte sich seine Einstellung. Er wusste, dass er sterben würde, und begann Geschenke zu verteilen.«
»Befürchtete er, Sie würden sich nicht mehr um ihn kümmern?«
»Bestechung? Nein, Helena, er
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