Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
ihren Schoß. Die Tochter, die immer noch in einer Weise um den Hals ihrer Mutter hing, die schmerzhaft sein musste, hielt plötzlich ganz still. Ich lehnte mich zurück, blickte sie beide durchdringend an und fragte dann leise: »Also, was ist passiert?«
    »Nichts.«
    Eindeutig gelogen, Sertoria.
     
    Ich nahm meine Befragung von Sertorius wieder auf. »Und an dem Abend haben Sie alle zusammen gegessen?«
    »Nein. Wir Männer wurden zu einem sogenannten Festmahl geschleppt.« Höhnisch verzog er das Gesicht. »Es sollte uns zeigen, wie die Gewinner der Spiele bei einem Bankett im Prytaneion feiern. Wenn ihres von der gleichen miesen Qualität ist wie das, was
uns
vorgesetzt wurde, tun sie mir leid. Die Frauen blieben in den Zelten und haben sich alle beschwert, als wir ziemlich fröhlich heimkamen.«
    Helena schürzte mitfühlend die Lippen, und Sertoria Silene verdrehte die Augen, um anzudeuten, wie abscheulich das gewesen war.
    »Zu welchem Zeitpunkt dieses Abends hatten Statianus und Valeria ihren letzten Streit? War das, als
er
betrunken zurückkehrte?« Womöglich hatte Valeria so etwas da zum ersten Mal erlebt. Angesichts dessen, dass sie nur von einem Vormund und einem fernen Großvater auf Sizilien großgezogen worden war, hatte das Mädchen vielleicht nie einen nahen Verwandten gesehen, der torkelte und kotzte und sich ungebührlich benahm. Vielleicht war sie zimperlich.
    »Bevor wir Männer loszogen.« Sertorius enttäuschte mich.
    »Das war nur eine Kabbelei«, murmelte seine Frau, flüsterte die Worte beinahe.
    Ich hakte sofort nach. »Sie wissen also, worum es ging?«
    Sie schüttelte rasch den Kopf. Helena schoss mir einen warnenden Blick zu, Sertoria nicht zu bedrängen, und beugte sich dann zu ihr. »Bitte sagen Sie es uns. Das ist sehr wichtig.«
    Aber Sertoria beharrte darauf, es nicht zu wissen.
    Ihr Mann teilte uns dann genauso entschieden mit, dass keiner von ihnen etwas über die nachfolgenden Ereignisse wisse. Als Familie, sagte er, seien sie früh zu Bett gegangen – wegen der Kinder, erklärte er liebevoll. Seine Frau hatte uns bereits verraten, dass er betrunken gewesen war, also hatte es zweifellos ärgerliche Worte gegeben, gefolgt von gequältem Schweigen.
    Als hätten sie Angst, einer von ihnen könnte zu viel sagen, standen sie alle auf, zogen sich in ihr Zimmer zurück und beendeten damit unser Verhör.
    Helena ließ sie mit der milden Bemerkung gehen, es tue den Sertorius-Kindern sicher gut, einen erzwungenen Nachmittagsschlaf zu halten.
     
    XXIII
    Die anderen beiden Paare sahen die Familie gehen und winkten uns lärmend an ihren Tisch.
    »Bist du bereit?«, murmelte ich Helena zu.
    »Werd nicht betrunken!«, zischte sie zurück.
    »Werd nicht frech! Ich bin die Nüchternheit in Person – aber kannst du deine Finger von dem Weinbecher lassen, Schätzchen?«
    »Halt mich zurück, wenn ich rot anlaufe.«
    »Ah, zu spät, zu spät!«
    Das Quartett hieß uns kreischend willkommen. Sie hatten unser Geplänkel mitgekriegt und mochten uns dafür. Die Männer strahlten bereits wie verkommene Cupidos bei der Traubenlese auf der Wandmalerei in einer Taverne. Sie klebten auf ihren Hockern, konnten sich nicht mehr bewegen, bis ihre Blasen verzweifelten, aber die Frauen saßen anscheinend nie still. Sie sprangen bei unserem Näherkommen auf und schleppten eine Bank für uns heran, überdehnten dabei schier die Säume ihrer hauchdünnen Kleidchen und ließen sich dann auf den Schoß des falschen Ehemanns plumpsen. Cleonymus und Amaranthus packten sie automatisch und schoben sie auf die Plätze, die sie vorher eingenommen hatten, wie Männer, die das schon öfter getan hatten.
    Alle vier waren älter, als es zu ihrem Benehmen und ihrer auffälligen Kleidung passte. Ich schätzte die Männer auf etwa sechzig und hielt die Frauen für noch älter – und doch waren es die Männer, die an dieser Mittagstafel erschlafft wirkten. Cleonymus und Cleonyma, die beiden freigelassenen Sklaven mit der gewaltigen Erbschaft, hatten Hände, die eindeutig viel manuelle Arbeit geleistet hatten, wenn ihre Finger jetzt auch teuer beringt waren. Das andere Paar war schwerer einzuschätzen. Amaranthus, der vermutete Ehebrecher, hatte schmale, misstrauische Augen, während Minucia müde wirkte. Ob sie des Lebens, des Reisens – oder sogar Amaranthus’ müde war, ließ sich nicht erkennen.
    Sie konnten kaum an sich halten, uns alles zu erzählen, was sie wussten, und malten die Einzelheiten möglichst grell

Weitere Kostenlose Bücher