Delphi sehen und sterben
er das sagte, war sehr selbstbezogen. Er schien fast erfreut darüber, als Verdächtiger zu gelten.
»Haben Sie das?«, forderte ich ihn heraus.
»Natürlich nicht.«
»Irgendeine Ahnung, wer es getan haben könnte?«
»Nicht die geringste. Ist das alles, was Ihnen einfällt?« Sein Ton war verächtlich. Als Ermittler hielt er mich für eine Null. Ich kannte das; er meinte, er könne meine Arbeit für mich erledigen – doch natürlich fehlten ihm Erfahrung, Beharrlichkeit, Können oder Empfindsamkeit. Und wenn er sich unter einem Türsturz versteckt hätte, um einen Verdächtigen zu beobachten, hätte der ihn sofort bemerkt.
Ich lehnte mich zurück, gab mich entspannt. »Erzählen Sie mir, warum Sie diese Reise machen, ja?«
Verhakt in einer unmöglichen Stellung, sah er mich jetzt mit tiefem Misstrauen an. »Warum wollen Sie das wissen, Falco?«
»Ich möchte feststellen, wer ein Motiv hatte. Vielleicht überlege ich, ob Sie sich Reisegesellschaften anschließen, um Jagd auf Frauen zu machen.« Er schnaubte. »Sie sind nicht verheiratet, Volcasius?«
Volcasius wurde hitzig und unruhig. »Das trifft auf viele Leute zu!«
Ich schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. »In der Tat. Sie verstehen jedoch den offensichtlichen Gedankengang. Allerdings folge ich nie offensichtlichen Ermittlungssträngen … Sind Sie an Kultur interessiert? Ist es das, was Sie anlockt?«
»Ich habe nichts, was mich daheim hält. Ich besuche gerne ferne Orte.«
»Daran ist nichts auszusetzen«, beruhigte ich ihn, während ich gleichzeitig andeutete, dass dem doch so wäre. Ich begriff, was los war. Er würde nie dazupassen, ganz gleich, wo er war, und so blieb er in Bewegung. Ich schätzte, dass er außerdem ein echtes, sogar pedantisches Interesse an den Provinzen hatte, die er bereiste. Er trug zusammengebundene Notiztafeln mit sich herum, die meinen ähnelten. Seine Tafeln waren aufgeschlagen, und so konnte ich hingekritzelte Zeilen in winziger Handschrift sehen, die sich aus der Entfernung nur mit Augenschmerzen entziffern ließen. Ortsnamen waren unterstrichen, dann kamen lange Absätze mit Einzelheiten. Er verfasste einen gewaltigen Reiseführer. Ich konnte mir vorstellen, dass er in Olympia nicht nur Beschreibungen der Tempel und Sportstätten zusammengetragen hatte, sondern Listen der Hunderte von Statuen, vermutlich mit den entsprechenden Inschriften dazu. »Sie kommen mir wie die Art aufmerksamen Mannes vor, Volcasius, der etwas gesehen haben könnte, was anderen entgangen ist.«
Ich verabscheute mich dafür, ihm zu schmeicheln, und da er alles andere als dankbar war, verabscheute ich mich danach noch mehr. »Ich habe darüber nachgedacht«, gab er zurück. »Bedauerlicherweise für Sie war ich jedoch nicht in der Lage, mich an irgendetwas Signifikantes zu erinnern.« Ich blickte wehmütig, er triumphierend. »Haben Sie keine Bange, sollte mir noch etwas einfallen, werde ich es unverzüglich berichten.«
»Vielen Dank.«
Volcasius hatte eine Art, sich vorzubeugen, die in mir, zusammen mit seinem säuerlichen Geruch, den Wunsch weckte, ihn unbedingt loswerden zu wollen. »Und wie sieht Ihre Lösung für das andere Mädchen aus, Falco? Diejenige, die auf dem Kronoshügel gefunden wurde?«
Ich senkte die Stimme, um mich der seinen anzupassen. »Marcella Caesia?« Einige aus der Gruppe mussten ihre Geschichte kennen, denn diese scheinbare Verbindung war der Grund gewesen, warum Aulus uns nach Rom geschrieben hatte. »Es sieht jetzt so aus, als stünden die beiden Fälle nicht in Zusammenhang.«
Volcasius stieß ein kurzes, verächtliches Bellen aus, als hätte ich ihm damit gerade meine Unfähigkeit bewiesen. Natürlich kam er mir nicht zu Hilfe. Ich hatte noch nie was übriggehabt für Idioten, die mich mit diesem überlegenen Du-hast-ja-keine-Ahnung-Schnauben abspeisten.
Er erhob sich erneut. »Was diesen jungen Mann betrifft, nach dem Sie sich erkundigt haben, Falco – dieser Aelianus –, niemand scheint es gemerkt zu haben, aber als wir alle unter Hausarrest gestellt wurden, ist er mit dem Ehemann des toten Mädchens abgehauen.«
Volcasius stolzierte mit der Haltung eines Mannes davon, der sich genüsslich daran weidete, mich verärgert zu haben. Ich machte ihn nicht darauf aufmerksam, dass er seinen Hut auf dem Tisch vergessen hatte. Es handelte sich um eines dieser schmierigen Strohdinger, die aussehen, als würden sie lebende Tiere beherbergen. Wenn eine Öllampe gebrannt hätte, dann hätte ich sie ein
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