Delphi sehen und sterben
nach hinten verdreht war.«
»Er hieß Alexander, weil er so groß war.«
»In Palmyra. Aber, Liebling, der hatte nur einen Kopf.«
Schweigen machte sich breit. Keiner wusste so recht, ob wir das ernst meinten. Ich dachte über den Ziegenbock nach und meine verpasste Chance, mit ihm als reisende Attraktion bei Festen aufzutreten.
»Valeria hätte ihre Lektion lernen sollen. Sie war mit uns bei einer Rezitation«, erzählte mir Cleonyma. Obwohl sie sich nach außen so extravagant gab, nahm sie doch starken Anteil am Schicksal des Mädchens. »Um Zeit rumzubringen, waren wir am Nachmittag zuvor alle bei einer Lesung gewesen. Phineus hatte uns das eingebrockt, hatte behauptet, der Vortragende sei echt gut. Wir wurden rasch eines Besseren belehrt. Der entsetzliche Kerl bezeichnete sich selbst als den neuen Pindar, aber seine Oden waren alter Schrott.«
»Wenn Valeria in der Palästra war, um sich Milons Dichter anzuhören, warum ist das nie erwähnt worden?«
Wieder trat unbehagliches Schweigen ein. Diesmal war es Cleonymus, der einsprang. »Die Mädchen schrecken davor zurück, Ihnen zu erzählen, dass dieser Milon von Dodona am nächsten Tag zum Zelt kam. Er schien nicht zu wissen, dass Valeria tot war, und wir hielten das für wahr. Er beschwerte sich darüber, dass er vor der Palästra auf sie gewartet habe, aber sie sei nicht gekommen.«
»Sie haben ihm seine Geschichte geglaubt.«
Helena beugte sich vor. »Wenn Milon Valeria getötet hatte, warum sollte er dann Aufmerksamkeit auf sich lenken, Marcus?«
»Wir dachten, er sei ein dämlicher Holzkopf, der nur eine Statue von sich als Sportheld wollte«, sagte Cleonyma. »Wir haben ihn weggeschickt. Es gab keinen Grund, Valerias Mann noch mehr Ärger aufzuhalsen, als er sowieso schon hatte.«
Cleonymus stimmte zu. »Statianus war in ernsten Schwierigkeiten, und wir wollten ihn schützen. Schlimm genug, dass er vom Quästor beschuldigt wurde, obgleich wir ihn für unschuldig hielten. Die Einheimischen zerrissen sich alle das Maul über Valerias schlechte Moral – was ebenfalls ungerecht war. Sie war ein dummes Mädchen, und sie hätte den Ringer wegschicken sollen. Aber wir glaubten nicht, dass sie mit ihm geschlafen hatte oder es je vorhatte. Also, warum Milon noch mit hineinziehen?«
Helena fragte sie: »Ging es bei dem Streit, den sie am letzten Abend mit Statianus hatte, um Milon?«
»Wir glauben, dass es so gewesen sein könnte«, murmelte Cleonyma. »Sie erzählte ihm, sie würde zu einer Dichterlesung gehen, auf Milons Einladung. Statianus verwehrte ihr – verständlicherweise – die Erlaubnis.«
»Er hätte sie an einen verdammten Zeltpfosten binden sollen, um dafür zu sorgen«, schimpfte Amaranthus.
Ich sagte, ich hätte in den meisten Fällen was dagegen, Ehefrauen zu unterjochen, stimme aber zu, dass es Valeria das Leben gerettet hätte. In Gedanken fragte ich mich, ob sich der Mörder, wenn Valeria in dieser Nacht tatsächlich im Zelt geblieben wäre, wohl eine andere Frau gesucht hätte. War es purer Zufall, dass er eine getötet hatte, die mit Sieben-Stätten-Reisen unterwegs war? »Gab es übrigens noch andere Reisegruppen, die Olympia außerhalb der Saison besuchten?«
»Sie machen wohl Witze!«, höhnte Amaranthus. »Jeder, der seine Sinne beisammenhat, fährt im nächsten Jahr.« Seine Stimme klang sehnsüchtig, und Minucia funkelte ihn böse an.
»Die Mitglieder Ihrer Gruppe waren also an diesem Punkt unglücklich mit dem Reiseplan?«
»Unglücklich ist gar kein Ausdruck, Falco«, bestätigte Cleonymus. »Die meisten von uns hatten erwartet, dass Spiele stattfinden, auf die Behauptung von Sieben Stätten hin – und wir waren mehr als wütend.«
Amaranthus stimmte ein: »Phineus murmelt ständig was von Versprechen für das nächste Jahr, aber er ist ein Geizhals. Er hat uns jetzt nach Olympia gebracht, wo es ruhig war, um Kosten zu sparen.«
»Ganz genau!«, blaffte Cleonymus. »Er hätte uns alle im Hauptgästehaus unterbringen können oder in dieser Villa von Nero – sehr hübsch! Aber der liebe Phineus hat uns in Zelten zusammengepfercht, weil er sie umsonst bekam. Unser Essen war grässlich, die Esel räudig, die Fahrer der letzte Dreck – wenn er welche zur Verfügung stellte –, und jetzt hängen wir hier fest, nur einen Schritt davon entfernt, unter Scheinbelastungen ins Gefängnis geworfen zu werden.«
»Und immer noch denken einige Leute, Phineus sei wunderbar?«, fragte ich trocken.
»Wir sind
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