Delphi sehen und sterben
Blut und Tod.« Mein Beruhigungsversuch ließ die Tatsache außer Acht, dass das Werfen eines Diskus nicht zum Kampfsport gehört.
»Ich habe noch nie zuvor jemanden verletzt, Falco.«
Helena mischte sich ein. »Nimm es dir nicht so zu Herzen, Glaucus. Wir vermuten, dass Milon von Dodona später betäubt und erstickt wurde – um ihn zum Schweigen zu bringen.«
»Falls er irgendwas Unerwünschtes sagte?«
»Das wissen wir gegenwärtig noch nicht«, erwiderte ich. »Doch du hast ihn mit dem Diskus nur gestreift. Nach ein paar Stunden hätte er grummelnd wieder auf den Beinen sein sollen. Es schadet nicht, ein Gewissen zu haben, Junge, aber verschwende es nicht.«
Glaucus dachte über das nach, was ich gesagt hatte. »Hast
du
im Verlauf deiner Arbeit jemals einen Menschen getötet, Falco? Mein Vater vermittelt den Eindruck, dass dem so sein könnte.«
»Was wir hier machen, ist nicht gefährlich. Helena und ich haben uns gerade mit den Beteiligten getroffen – und sie wirken so sanft wie Lämmer.«
Glaucus sah mich lange an. »Vergiss die Beteiligten! Ich habe mir über dich Gedanken gemacht«, sagte er.
Ich war nicht beleidigt; manchmal mache ich mir über mich selbst Gedanken.
Vielleicht war es spät. Vielleicht hatten wir mittags zu viel gegessen. Auch mir war nachdenklich zumute. Sicherlich hatten Helena und ich den heutigen Nachmittag damit verbracht, mit Menschen zu sprechen, denen ich normalerweise aus dem Weg gehen würde. Ich hätte es nie ertragen, wochen- oder monatelang mit einer Sieben-Stätten-Gruppe zu reisen. Möglicherweise empfand der eine oder andere genau dasselbe. Möglicherweise brachten sie einander um.
Ich dachte noch ein bisschen länger darüber nach, was Helvia und die beiden Männer über Turcianus Opimus gesagt hatten. Je mehr sie mir versichert hatten, dass sein Sterben unvermeidlich gewesen wäre, desto fraglicher kam es mir vor. Anscheinend war es lächerlich, zu glauben, dass ein schwerkranker Mann eines unnatürlichen Todes gestorben war. Ohne nach Epidauros zu reisen, konnte ich das jedoch nicht überprüfen. Selbst wenn ich mich dorthin begab, würden die Mediziner, die ihn für tot erklärt hatten, sich auf seine vorhandene Krankheit berufen. Ärzte müssen so aussehen, als wüssten sie, was sie tun – wenngleich jeder, der schon mal krank war, bald lernt, wie viel das wert ist. In Epidauros würde ich es mit einem weiteren feindseligen Tempel zu tun haben, dessen Aufseher nur ihren guten Namen schützen wollten.
Angenommen, Opimus wurde ermordet. Wer würde davon profitieren, einen Invaliden umzubringen? Nur wenn Opimus über belastende Beweise verfügt hätte, würde das ein Motiv ergeben. Niemand hatte angedeutet, Opimus hätte je behauptet, solche Informationen zu besitzen. Aber falls er etwas gewusst hatte, konnte ich ihn jetzt nicht mehr befragen, also war der Mörder in Sicherheit.
Ich dachte an die anderen. War irgendeiner von denen, die ich bisher kennengelernt hatte, ein möglicher Mörder? Der streitlustige, dämliche Sertorius, der Außenseiter Volcasius, der nach dem Hundebiss humpelnde Marinus, der verfolgt wirkende Indus? Keiner von ihnen hatte das Auftreten eines auf erotische Beute lauernden Raubtiers – und sie waren alle schlanke Männer, denen die brutale Kraft desjenigen fehlte, der Valeria mit dem Sprunggewicht erschlagen hatte.
Cleonymus und Amaranthus waren stämmig. Doch sie waren beide in Begleitung von Frauen – wobei es die Ehe oder ihr Äquivalent nicht ausschloss, ein rasender Mörder zu werden. Ich hatte Mörder gekannt, die weibliche Opfer zusammenschlugen, auch wenn sie hingebungsvolle Ehefrauen besaßen. Das häusliche Leben mancher dieser Ehefrauen war schlimmer als der Hades, aber wenn es zu einer Verhaftung kam, weigerten sich die Frauen, an die Tatsachen zu glauben, und wollten nicht gegen ihre wahnsinnigen Ehemänner aussagen. Sicherlich gehörten weder Cleonyma noch Minucia zu dieser Kategorie. Sie waren sozial eingestellte, intelligente Frauen, die einen schuldigen Mann erkennen würden, wenn sie das Bett mit ihm teilten. Doch ich wusste, falls es wirklich passiert war, würden selbst diese vom Leben gestählten Frauen vermutlich für eine Vertuschung sorgen.
Nun ja, vielleicht nicht Minucia, deren starkes Gerechtigkeitsgefühl sie veranlasst hatte, zum Quästor zu marschieren. Es war unwahrscheinlich, dass sie riskiert haben würde, ihren eigenen Liebhaber zu belasten – und ich konnte mir vorstellen, dass
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