Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Frage »Wer hat meine Frau ermordet?« vorlegen zu können. Die Pythia war die beduselte Priesterin, die selbst in diesen modernen Zeiten auf einem Dreifuß hockte und Lorbeerblätter kaute, bis ihr der Gott (oder die Lorbeerblätter) unverständliche Weisheiten eingab und sie danach mit scheußlichen Kopfschmerzen beglückte.
    Wenn sich Statianus der Reisegruppe nicht bald wieder anschloss, musste jemand nach Delphi reisen und ihn einsammeln. Darauf zu wetten, wer das sein würde, konnte ich mir sparen. Ihn von dort loszureißen, wenn ich seine tragische Frage selbst beantworten konnte, dürfte leichter sein, also legte ich den besessenen Witwer in meinem »Später zu erledigen«-Sortierfach ab.
    »Als Orakel bist du ein fauler Sack, Falco!«, bemerkte Helena.
    »Oh, du ungläubige Frau! Als Orakel bin ich eine ganz heiße Nummer. Ich prophezeie Folgendes: Suche nach dem, der kommt und geht, unter jenen, die kommen und gehen.«
    »Du hältst Phineus für den Mörder? Aber Phineus hat dir erzählt, er wäre zu den entscheidenden Zeitpunkten mit anderen Leuten beschäftigt gewesen, also ist das unmöglich.«
    »Phineus ist ein unverfrorenes Lügenmaul«, prophezeite ich.
     
    XXXIII
    Da mir keine weitere Verzögerungstaktik einfiel, machte ich mich am nächsten Morgen auf den Weg nach Akrokorinth.
    In meinen Wanderklamotten und mit Nux auf den Fersen überquerte ich das Forum auf der Nordseite. Irgendwann bemerkte ich Phineus vor einem Laden. Er war mit einem anderen Mann in ein Gespräch vertieft, zweifellos einer seiner vielen Kontakte. Ich hielt den Kopf gesenkt und kam ungesehen vorbei. Dann rief mich eine Stimme. Cleonymus, der Freigelassene, saß allein auf dem zentralen Rostrum und wartete darauf, dass der Weinladen öffnete. Seine Frau und ihre beiden Gefährten schliefen noch ihren Kater aus, und so schlug er vor, mich auf den Bergfelsen zu begleiten und sich die Aussicht anzuschauen. Nux wedelte freundlich zu der Begleitung, also stimmte ich zu. Cleonymus trug eine massive Gürtelschließe über einer reichbestickten Tunika und so viele schwere Goldreifen an seinen muskulösen Unterarmen, dass ich es für meine Pflicht hielt, ihn von der neidischen Menge fortzubringen.
    Wir gingen hinüber zum östlichen Ende des Forums und stiegen eine kurze Treppe hinauf, die uns zu sechs unterschiedlich gestalteten Tempeln für unbedeutendere Gottheiten führte. Diese Stadt war eindeutig fromm. Als Nächstes kamen wir durch ein paar kleine Läden und auf der Rückseite zu einem viel größeren Tempel im römischen Stil, der das typische Aussehen einer kaiserlichen Familien-Weihestätte hatte. Die Säulen hatten kunstvolle, mit Akanthusblatt geschmückte Kapitele. Verspätet ging mir auf, dass der blumige korinthische Stil der Kapitele tatsächlich nach dieser Stadt benannt war. Er hatte mir noch nie gefallen. Zurückblickend, sah ich den schnörkelloseren dorischen Tempel des Apollon, der sich ausnehmend schön vor dem tiefblauen Wasser des Saronischen Golfs und dem schimmernden Himmel abhob. Seine griechische Strenge zerrte an meinem altmodischen römischen Herzen.
    »Das ist ja alles ganz hübsch, aber insgesamt gefällt mir Korinth nicht, Cleonymus – zu viel Religion und zu viel Kommerz.«
    »Ach, vom Einkaufen kann man nie genug bekommen, Falco.«
    Zu unserer Rechten, wo das Land abfiel, lag das Theater. Zur Linken befand sich das Gymnasion, in dem der junge Glaucus seine Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hatte, wie ich wusste. Wir kamen an einem sehr alten Brunnen vorbei, in den sich Jasons junge Frau angeblich gestürzt hatte, um die Schmerzen von Medeas vergiftetem Gewand zu lindern. Dahinter befanden sich ein weiterer Brunnen, ein Heiligtum der Athene und ein Heiligtum des Asklepios.
    »Also hätte Turcianus Opimus auch hierher gebracht werden können. Dann hätte er an einem Ort sterben können, von dem aus ihn der römische Statthalter nach Hause verschiffen konnte.«
    »Epidauros war sogar noch schöner – allerdings nicht sehr friedlich, wenn die heilige Hundemeute bellte.« Cleonymus hatte den steinernen Geldkasten für Spenden entdeckt und warf eine Silbermünze in den Schlitz. »Zeige Bereitwilligkeit.« Das war wie seine Großzügigkeit, den Wein für alle zu bezahlen. Er glaubte, er müsse sein Glück mit allen teilen. Wenige Besitzer großer Erbschaften bewahren sich diese Nächstenliebe.
    Bald hatten wir das Gefühl, wir sollten dem Gott der Medizin ein paar Lungen-Weihstatuetten

Weitere Kostenlose Bücher