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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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dem warmen Ananasgrog zu sich und lächelte der ziemlich wohlbeleibten Dame zu, während sie das Feuer anblies.
    Sam hatte sich so sehr in die Betrachtung dieser behaglichen Szene verloren, daß er die erste Frage der ziemlich Wohlbeleibten gänzlich überhörte. Erst als sie zweimal, und zwar jedesmal mit gellenderem Tone wiederholt worden war, kam er zu dem Bewußtsein der Unschicklichkeit seines Betragens.
    »Ist der Herr zu Hause?« fragte Sam in Erwiderung der Frage der Dame.
    »Nein«, versetzte Frau Weller, denn die ziemlich Wohlbeleibte war niemand ander«, als die weiland Witib und Universalerbin des seligen Herrn Clarke: – »nein, er ist nicht zu Hause, und ich erwarte ihn auch nicht.«
    »Er ist wohl ausgefahren?« fragte Sam.
    »Kann sein: vielleicht aber auch nicht«, erwiderte Frau Weller, eine Brotschnitte, die der Mann mit der roten Nase eben abgeschnitten hatte, mit Butter bestreichend: »ich weiß es nicht, und überdies kümmert es mich auch nicht. Sprechen Sie einen Segen, Herr Stiggins.«
    Der Mann mit der roten Nase tat, was man verlangt hatte, und fiel dann augenblicklich mit großer Gefräßigkeit über die Brotschnitten her.
    Gleich auf den ersten Blick hatte Sam aus dem Äußern des Mannes mit der roten Nase deutlich genug den Schluß gezogen, es möchte der Helfer des Hirten sein, von dem sein achtbarer Vater gesprochen. In dem Augenblick, da er ihn essen sah, waren alle seine Zweifel darüber behoben. Er merkte sogleich, daß er, um einstweilen sein Quartier hier aufschlagen zu können, unverzüglich festen Fuß fassen müsse. Demgemäß begann er damit, daß er seinen Arm über die Halbtür des Schenkstübchens legte, kaltblütig aufschloß und gemächlich hineinging.
    »Stiefmutter«, sagte er, »wie geht’s Euch?«
    »Wahrhaftig, ich glaube es ist ein Weller«, rief sie, ihre Augen mit nicht sehr vergnügtem Ausdruck auf Sams Gesicht richtend.
    »Ich glaube es beinahe auch«, sagte der unerschütterliche Sam, »und ich hoffe, Hochwürden hier werden mich entschuldigen, wenn ich den Wunsch ausdrücke, Euer Weller zu sein, Stiefmutter.«
    Das war doppelte Ladung; denn er gab damit zu verstehen, daß Frau Weller eine sehr anmutige Frau sei, und zugleich, daß Herr Stiggins ein geistliches Aussehen habe. Das Kompliment machte auch einen sichtbaren Eindruck auf beide, und Sam verfolgte seinen Vorteil, indem er seine Stiefmutter küßte.
    »Ach, gehen Sie«, sagte Frau Weller, ihn von sich stoßend.
    »Pfui, junger Mann«, schalt der Herr mit der roten Nase.
    »Keine Beleidigung, Sir, keine Beleidigung«, versetzte Sam. »Doch Sie haben ganz recht; es ist aber auch etwas Mißliches, wenn Stiefmütter jung und hübsch sind – nicht wahr, Sir?«
    »Es ist alles vergänglich«, sagte Herr Stiggins.
    »Ach ja«, seufzte Frau Weller, ihre Haube zurechtsetzend.
    Sam war der gleichen Meinung, verschloß sie aber in seine Brust.
    Der Hirtenhelfer schien über Sams Ankunft keineswegs sehr erfreut. Als die erste Begeisterung über das Kompliment verflogen war, sah man es sogar Frau Weller an, daß sie Sams Gegenwart ohne die geringste Unzufriedenheit hätten entbehren können. Aber er war nun einmal da, und da man ihn anstandshalber nicht hinausweisen konnte, so setzten sich alle drei zum Tee.
    »Und was macht der Vater?« fragte Sam.
    Auf diese Frage hob Frau Weller Hände und Augen empor, als wäre der Gegenstand zu schmerzlich, um ihn zu berühren.
    Herr Stiggins seufzte.
    »Was hat dieser Herr?« fragte Sam.
    »Er beklagt den Weg, den Ihr Vater wandelt«, erwiderte Frau Weller.
    »Wirklich?« fragte Sam.
    »Und er hat nur zu triftige Gründe dazu«, fuhr Frau Weller mit ernstem Tone fort.
    Herr Stiggins nahm eine frische Butterschnitte und stieß einen schweren Seufzer aus.
    »Es ist ein schrecklich ruchloser Mensch«, sagte Frau Weller.
    »Ein Mensch, der einen empören kann«, setzte Herr Stiggins hinzu, biß ein großes, halbkreisförmiges Stück aus der Buttertoast heraus und seufzte wieder.
    Sam fühlte sich sehr dazu aufgelegt, dem ehrwürdigen Herrn Stiggins Anlaß zum Seufzen zu geben, aber er bezwang seine Neigung und fragte nur:
    »Nun, was ist’s denn mit dem Alten?«
    »Was es mit ihm ist?« versetzte Frau Weller. »Oh, er hat ein verstocktes Herz. Alle Abende kommt dieser vortreffliche Mann – zürnen Sie nicht, Herr Stiggins, ich darf es behaupten, Sie sind ein vortrefflicher Mann – und bleibt vier Stunden lang bei uns, und das macht nicht den geringsten Eindruck auf

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