Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
in der Regel neben anderen ähnlichen ungewöhnlichen Bemerkungen, der Anfang einer Unterhaltung, die bis zur Beendigung der Reise fortgesetzt wird; letztere ist nicht lang, weder auf dem Wasser noch, wie wir hoffen, auf dem Papier. Ist sie uns langweilig vorgekommen, so kehrt unsere gute Laune im Augenblick des Landens zurück; und sollte unsere Beschreibung von ihr unglücklicherweise unsere gütigen Freunde gelangweilt haben, so trösten wir uns damit, daß sie sie vergessen werden – sobald sie den Strom verlassen.
Die Morgenpostkutschen
Wir haben oft darüber nachgesonnen, wie viele Monate unaufhörlichen Reisens in einer Postchaise wohl dazu gehören möchten, jemand vom Leben zum Tode zu bringen; und ebenso möchten wir wohl wissen, wie viele Monate beständigen Reisens nur in Morgenpostkutschen ein unglücklicher Sterblicher wohl aushalten könnte. Lebendig gerädert zu werden ist nichts dagegen, auf vier Rädern nicht nur seine Glieder, sondern auch seine Ruhe und seinen Frieden rädern zu lassen, wogegen wiederum die Strafe des Ixion (beiläufig das einzige praktische Individuum, das das Geheimnis der unterbrochenen Bewegung entdeckt hat) zu vollkommener Bedeutungslosigkeit schwindet. Wären wir ein mächtiger Kirchenfürst in jenen guten alten Zeiten gewesen, wo man für die geheiligte Sache der Religion Blut wie Wasser vergoß und Menschen wie Gras mähte, so würden wir uns ganz ruhig verhalten haben, bis wir einen besonders hartnäckigen Ketzer in die Hände bekommen hätten: und dann hätten wir ihm einen Innenplatz in einer engen, Tag und Nacht forteilenden Postkutsche gegeben, die übrigen Plätze an starke, ein wenig zum Räuspern und Husten neigende Männer verteilt, ihn auf seine letzte Reise ausgesendet, ihn ohne Erbarmen allen Qualen überliefert, die ihm anzutun den Kellnern, Wirten, Kutschern, Schirrmeistern, Hausknechten, Hausmägden und sonstigen Zugehörigen zur Heerstraße beliebt haben dürfte.
Wer kennt nicht die unvermeidlich folgenden Leiden, wenn man plötzlich frühmorgens eine eilige Reise antreten muß? Sobald die Notwendigkeit eintritt, wirst du samt deinem ganzen Hause in die entsetzlichste Unruhe versetzt; du schickst augenblicklich nach der Wäscherin, deine sämtlichen Hausgenossen haben alle Hände voll zu tun, und du selbst eilst mit einem Gefühle der Wichtigkeit, das du nicht gänzlich verbergen kannst, nach dem Postbüro, um einen Platz zu bestellen. Hier ergreift dich zuerst ein schmerzliches Bewußtsein deines Mangels an Bedeutung – die Offizianten sind so kaltblütig und gesammelt, als ob kein Mensch die Stadt zu verlassen gedächte oder als wenn eine Reise von hundert Meilen oder mehr ganz und gar nichts wäre. Du trittst ein in ein dumpfiges, mit mannigfachen Anschlägen verziertes Zimmer, vor dessen größere Abteilung eine plump gearbeitete Barriere läuft, während die andere in einzelne Verschlage abgeteilt ist, die den Käfigen der kleineren Tiere in einer Raubtierschau, aber ohne die Eisenstangen, gleichen. Ein halbes Dutzend Leute sortieren Poststücke, die von einem der Angestellten mit einer Sorglosigkeit in die erwähnten Verschläge geworfen werden, die dir, indem du an den neuen, soeben erst gekauften Reisesack denkst, durch die Seele geht; Lastträger, die wie ebenso viele Atlasse aussehen, gehen und kommen mit schweren Packen auf den Schultern, und während du wartest, um die notwendigen Fragen zu stellen, sinnst du darüber nach, was in aller Welt Postschreiber gewesen sein können, bevor sie Postschreiber wurden. Einer von ihnen steht, mit der Feder hinter dem Ohr und den Händen auf dem Rücken gleich einem Bilde Napoleons in Lebensgröße vor dem Kamine; ein zweiter, mit dem zum Herunterfallen schiefsitzenden Hut auf dem Kopfe trägt die Namen der Passagiere mit einer unsäglich ärgerlichen Kaltblütigkeit in ein großes Buch ein und pfeift dabei – der Spitzbube! – pfeift, während die Frage an ihn gerichtet wird, wieviel ein Außenplatz bis nach Holyhead koste – obendrein beim abscheulichsten Wetter! Sie sind offenbar eine ganz besondere Rasse, die keine der dem ganzen übrigen Menschengeschlechte gemeinsamen Sympathien und Gefühle besitzt. Du kommst endlich an die Reihe, hast deinen Platz bezahlt und fragst bebend: »Um welche Zeit muß ich morgen früh hier sein?« – »Um sechs Uhr«, antwortet der Pfeifer, deinen Sovereign gleichgültig in den auf dem Schreibtische stehenden hölzernen Napf werfend. »Lieber ‘n bissel früher
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