Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
einem Sitze auf Deck abfinden zu müssen. In Red Landford war er schon so steif gefroren, daß man ihn herunterheben mußte und erst am andern Morgen die Fahrt fortsetzen konnte. Indessen langte er ohne weitere Unfälle in London an. Dort sollte er bald nach seiner Ankunft von neuem inne werden, daß er wohl öfter recht viel Geld im Leben besessen, es aber immer und immer durch irgend einen ganz unvermuteten Zwischenfall auch wieder eingebüßt habe.
Als er nämlich am zweiten oder dritten Morgen nach seiner Heimkehr von einem Gange nach der Altstadt den Fuß in seine Wohnung setzte, fand er dort zur nicht geringen Verwunderung in seiner bestenStube einen Gerichtsvollzieher mit einem Gehilfen flott dabei, ein Inventar seines sämtlichen Mobiliars aufzunehmen. Auf seine erregte Frage, was denn solches Verfahren bedeuten solle, da er doch keinem Menschen etwas schuldig sei, wurde ihm der Bescheid, er sei mit der Miete im Rückstande und deshalb sei der Antrag auf Auspfändung gestellt und vom Gericht auch genehmigt worden.
Er zeigte seine Mietsquittung vor; der Gerichtsvollzieher besah sich dieselbe mit vergnügtem Lächeln, erklärte jedoch, der Mann, von dem Grimaldi gemietet habe, sei selbst nur Mietspartei und habe nicht gezahlt, daraufhin mache der eigentliche Hauseigentümer von seinem Rechte, alles, was sich im Hause vorfände, mit Beschlag zu belegen, Gebrauch.
Grimaldi lief schnell zu seinem treuen Berater, Mr. Hughes, hörte aber von diesem, daß ihm nichts anderes übrig bleibe, als den Mietsbetrag – beiläufig achtzig Pfund – noch einmal zu bezahlen, falls er nicht sein Mobiliar einbüßen wolle. Er rannte daraufhin nach Hause zurück und bezahlte den Mietsbetrag zum zweiten Male. Am andern Morgen fand sich der Hauswirt bei ihm ein und wußte ihn zu einem Abkommen zu bestimmen, Grimaldi hoffte dadurch wenigstens zu einem gewissen Teile Entschädigung zu erhalten, mußte zuletzt einsehen lernen, daß er der Betrogene war, und sich in eine ziemlich erkleckliche Einbuße finden.
Sein altes Engagement in Sadlers Wells ging in diesem Jahre zu Ende. Er verpflichtete sich auf weitere drei Jahre und bekam von nun an wöchentlich zwölf Pfund und zwei volle Benefize. Die Pantomime, die zum Osterfest gespielt wurde, betitelte sich »Harlekin und die vierzig Jungfrauen«. Sie hielt sich die ganze Saison hindurch. Grimaldi hatte ein Coupletdarin zu singen: »Ich und mein Ede – Ede – Esel«, das sich außerordentlicher Beliebtheit erfreute und bald in jedermanns Munde war. Mehrere seiner Verehrer machten ihm wertvolle Präsente, unter anderm eine prächtige Uhr, deren Zifferblatt sein Porträt, von der ersten Couplet-Zeile umschlungen, zeigte.
In dieser Saison wurde immer zuerst die Pantomime gegeben, so daß er in den ihm bisher nie vergönnt gewesenen Genuß trat, von halb neun Uhr sein freier Herr zu sein. Von Kindesbeinen an hatte er es nie anders gekannt, als von sechs Uhr abends bis zwölf Uhr nachts ununterbrochen im Sadlers Wells-Theater zuzubringen. Es kam ihm ordentlich wunderbar vor, die schönen Frühlings- und Sommerabende in der schönen frischen Luft verleben zu können.
Im Oktober, bei der Eröffnung des Covent-Garden-Theaters, machte er die Bekanntschaft Farleys, des damals berühmten Pantomimen-Dichters und Darstellers, der aber immer nur in ersten und ernsten Rollen auftrat und lange Zeit das Publikum dadurch förmlich faszinierte, daß er während seines Spiels kein anderes Glied als seine Gesichtsmuskeln zu rühren pflegte.
Farley fragte Grimaldi, in welcher Rolle er zuerst aufzutreten gedächte. Grimaldi meinte, er habe immer am meisten Glück gehabt als Skaramuz im Don Juan. Aber Farley riet ihm davon ab und zu der Rolle des Orson in »Valentin und Orson«, einem Stücke, das mehrere Jahre lang nicht mehr gespielt worden, aber ehedem sehr beliebt gewesen sei. Er riet ihm um so mehr zu diesem Rollenwechsel, als der Orson ihm ohne Frage äußerst günstig läge und seinen Fähigkeiten höchst angemessen sei.
Grimaldi erklärte sich ohne weiteres damit einverstanden, den Orson zu geben, ersuchte indes Farley, ihm beim Einstudieren behilflich zu sein, da er dasStück noch gar nicht kenne. Dazu erklärte Farley sich von Herzen gern bereit und hielt auch getreulich Wort.
Es ist viel behauptet worden, Grimaldi sei ein Schüler von Dubois gewesen, was aber keineswegs zutrifft. Wenn man von irgend einem Lehrmeister Grimaldis sprechen will, so kann einzig und allein Farley in Betracht
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