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Dem eigenen Leben auf der Spur

Dem eigenen Leben auf der Spur

Titel: Dem eigenen Leben auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Bernhard
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damit schon cool durch Frankfurt auf meinem Handbike cruisen. Vielleicht hätte ich sie auch während der WM angezogen und ein paar spanische Fans verhaftet, vermutlich wollen sie, dass genau das nicht geschieht.
    Einigermaßen frech bemerke ich zu ihrem Chef: »Ihr seid schuld, wenn ich es bis Sonnenuntergang nicht zu meinem Etappenziel schaffe. Könnt ihr mich nicht wenigstens ein Stück des Wegs mitnehmen?«
    Die Polizei sei kein Taxi, murmelt er und wendet sich ab. Dann aber nehmen sie mich doch einige Kilometer durch eine eintönige Landschaft mit. Hinter mir steht ein Polizist, der den Rollstuhl festhält, ein zweiter sitzt am Steuer. Exakt an einem Punkt, den ich offenbar während der Zeit ohne Zwangspause erreicht hätte, setzen sie mich ab.
    Wenn ich meine Strecke bis Einbruch der Dunkelheit noch schaffen möchte, muss ich mich sputen. Für heute, eigentlich für den ganzen Rest meines Wegs, bin ich auf keine weitere Begegnung mit der Guardia Civil erpicht.
    Nichts fesselt mich an der Einöde, durch die ich fahre. Meine Gedanken passen sich der Umgebung an und pendeln sich über Banalem ein.
    Auch die Langeweile, die Zeit, in der nichts passiert, gehört zum Pilgern. Man geht einfach weiter, und jeder Schritt bringt einen näher zum Ziel. In der Langeweile entsteht Raum, neue Ziele zu formulieren oder alte zu überdenken. Wie wäre es, nach Jerusalem zu pilgern, direkt von Frankfurt aus, ohne den Schutz einer ausgetretenen Spur, ausgekundschaftet von zahllosen Vorgängern, mit einer ausgebauten Infrastruktur und mehr oder weniger gepflegten Unterkünften? Wie groß muss auf einer solchen Reise das Gottvertrauen sein? Man käme durch Krisengebiete, in denen man als reicher Tourist und nicht wie ein Pilger wahrgenommen würde.
    Die Burgruine Castrotorafe reißt mich weg von Golgatha. Typisch Felix, tadle ich mich. Ich habe mein Ziel noch nicht erreicht, da plane ich schon die nächste Tour!
    Im 12. Jahrhundert war das gewaltige Wehrdorf Sitz des mächtigen Ordens der Jakobusritter, heute stehen nur noch einzelne Außenwände. Es würde bestimmt zwanzig Minuten dauern, einmal die gesamte Anlage zu umrunden. Verwitterte, mit Moos besetzte Mauerreste lassen den ehemaligen Glanz nur erahnen. Unweigerlich muss man daran denken, wie vergänglich alles ist, selbst ehemals Furcht einflößende Bauwerke sind 900 Jahre später auf vereinzelte Brocken reduziert. Der Jakobusorden, einstmals mächtig genug, dem Papst die Stirn zu bieten, ist meines Wissens heute eher ein Geheimbund mit einigen Ablegern.
     
     

Vom Wind verweht
     
    Mit der untergehenden glutroten Sonne erreiche ich Riego del Camino. Eine überraschte Bürgermeisterin des 500-Seelen-Dorfes gibt mir mit leuchtenden Augen den Schlüssel zur Unterkunft.
    »Jetzt, wo ich Sie sehe, weiß ich, dass alles möglich ist.«
    Bei all dem Überschwang könnte sie mich eigentlich auch zu sich zum Abendessen einladen, denke ich übermütig. Aber sie gibt mir nur eine Handvoll Früchte und wünscht mir eine Gute Nacht. In dem Gästebuch der einsamen Herberge finde ich nur wenige Einträge, anscheinend wird das Haus nicht besonders häufig aufgesucht. Immerhin befinden sich in dem ehemaligen Jugendtreff sechs Betten, im Nachbarraum liegen noch einmal zehn Matratzen.
    Nichts lenkt mich hier von der zähen Leere ab, ich muss mich ihr stellen. Aus Langeweile blättere ich in meinem Wörterbuch und lerne ein paar Vokabeln auswendig. Dann schreibe ich wie jeden Abend ein paar Zeilen in mein kleines schwarzes Tagebuch. Endlich überkommt mich die Müdigkeit. Auf der Straße höre ich gelegentliches Hundebellen, und hinter dem Haus blöken Schafe. Beim Einschlafen schaue ich auf ein signiertes Foto des Königspaares von Spanien.
     
    Am nächsten Morgen fühle ich mich zerschlagen und schmutzig. In dem kleinen Bad war der Durchgang zur Dusche so schmal, dass nicht einmal die Hälfte des Rollstuhls hindurchgepasst hätte. Normalerweise hat zumindest irgendein Plastikstuhl, auf dem ich sitzen und mich duschen kann, Platz. Hier nicht. Ungewaschen und in stinkenden Kleidern fühle ich mich wie ein Penner, wer weiß, vielleicht könnte ich es in diesem Aufzug einmal in einer Fußgängerzone in Deutschland versuchen, ein paar zerschlissene Plastiktüten neben mir.
    Der Weg entlang der Straße lärmt monoton, ich bin zu faul, die Ohrenstöpsel zu benutzen.
    Bis hierhin habe ich gelegentlich und immer wieder an meinen ehemals besten Freund denken müssen, heute kann ich ihn endgültig

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