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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Dummy. Der Vogel sprang auf Harris’ Faust.
    Brady beobachtete das Training mit wachsender Ehrfurcht. Es war wie die Jagd und doch irgendwie anders. Er bewegte sich nicht, stand reglos da und sah zu, wie Harris die Übung wiederholte. Jedes Mal konnte der Falke den Köder fangen, zu Boden bringen und sich die Belohnung holen. Nach einigen dieser Manöver erlaubte Harris es dem Tier, sich mit gefülltem Kropf auf seinen Arm zu setzen und zu entspannen.
    “Und? Was denkst du?” wollte Lijah wissen.
    In Bradys Augen flackerte die Aufregung einen kurzen Moment auf, bevor er seine Begeisterung abschütteln konnte und sich wie gewohnt in sich zurückzog. “War ganz okay”, sagte er mit einem unverbindlichen Schulterzucken. “Sah nicht so schwierig aus.”
    “Aha”, grummelte Lijah. “Ich dachte mir nur, es gefällt dir vielleicht.”
    “Es hat mir auch gefallen – aber, Mann, ich wette, ich könnte das auch.”
    Lijah blickte ihn forschend an. “Das glaubst du?”
    “Sicher. Man muss doch einfach ein Spielzeug, das mit Fleischstückchen gespickt ist, herumschleudern. Der Vogel wird dann von dem Fleisch angelockt und will danach greifen. Das ist genau wie beim Pawlow’schen Hund. Harris macht die Übung immer und immer wieder. Also, wie schwierig kann das sein?”
    “Du denkst, es wäre ein Spiel, stimmt’s?” Er straffte die Schultern. “Wenn du das wirklich denkst, dann weißt du nicht das Geringste über Greifvögel.” Lijah schnaubte ärgerlich und wandte sich ab.
    Brady war wütend und stemmte die Hände in seine Taschen. Seit einigen Monaten arbeitete er nun schon mit Lijah und hatte von dem alten Mann eine ganze Menge über die Vögel gelernt. Dinge wie die Namen der Greifvögel, ihre Lebensräume, Ernährung, Persönlichkeiten und Ähnliches. Darüber hinaus hatte er auch gelernt, wie man sich den Tieren mit Respekt näherte, ohne sie zu verstimmen. Er und Clarice bildeten mittlerweile ein Team bei der Fütterung der Vögel. Was er erreicht hatte, war schon ganz schön viel, wenn man in Betracht zog, dass Harris ihn am Anfang nicht einmal in die Nähe der Tiere lassen wollte. Lijah war zu Ella und Harris gegangen und hatte mit ihnen über Brady gesprochen – er war für ihn in die Bresche gesprungen und war ein Risiko eingegangen, und das bedeutete Brady eine Menge. Es gab nicht viele, die so etwas für ihn getan hätten. Dass Lijah jetzt wütend auf ihn war und ihn so stehen ließ, traf ihn und tat weh.
    Nachdem Harris den Falken zu den Käfigen zurückgebracht hatte, brachte Maggie ein größeres Tier. Dieser Vogel trug keine Haube über dem Kopf und ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen, als würde ihm alles gehören. Brady bemerkte, wie der mächtige Falke seine Umgebung betrachtete und ihn und Lijah am Rand des Feldes stehen sah.
    “Dieser alte Vogel sieht wirklich alles”, sagte er versöhnlich zu Lijah gewandt.
    “Ja, sie nehmen alles ganz genau wahr.”
    “Wie kommt es, dass Harris ihm die Flugleine nicht anlegt?”
    “Dieses Falkenweibchen heißt Risk. Sie ist schon eine ganze Weile hier und weiß, was sie zu tun hat. Der andere Falke war noch jung und lernte gerade erst, was was ist und wie das Training vonstatten geht. Wenn Harris ihm nicht die Leine angelegt hätte, wäre er möglicherweise auf und davon geflogen.” Er gluckste vor Lachen. “Sie alle würden zu Beginn ausreißen, so viel ist sicher.”
    “Oh, ja? Und was hält sie davon ab? Ich meine, sie haben doch ein Recht auf Freiheit. Verdammt, ich würde abhauen, wenn ich sie wäre.”
    “Sie
wollen
bleiben.”
    Als Brady ihn mit offenem Mund anstarrte, schüttelte Lijah den Kopf. “Das meine ich. Greifvögel sind nicht wie die anderen Vögel. Du kannst diese Tiere nicht zwingen, etwas zu tun. Sie sind auch nicht wie Hunde, die dem Menschen gefallen wollen. Greifvögel sind anders. Sie sind stolz und unabhängig. Und weil das ihre Natur ist, kannst du sie nicht zwingen, dir zu gehorchen. Von einem Kind kann man das auch nicht verlangen. Alles, was man tun kann, ist, sie zu bitten.”
    Aufmerksam hörte Brady dem alten Mann zu und spürte, wie Lijah die Worte in sein Herz pflanzte. Gerade sechzehn Jahre alt, hatte er die Nase voll davon, sich herumkommandieren zu lassen – wenn ihm jemand sagte, er solle springen, wollte er in Zukunft nicht mehr fragen, wie hoch.
    “Darum”, schloss Lijah, “muss man zuerst einmal Bescheidenheit und Demut lernen, wenn man mit den Raubvögeln arbeiten

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