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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Zwinger aus dem ‘Restaurant’ geholt und an einen schattigen Platz nahe der Klinik gestellt, so dass er ein Auge auf die beiden Jungvögel werfen konnte, bis sie ein bisschen älter waren. Dann würden sie noch einmal versuchen, die Geier auszuwildern.
    Von seinem Standort aus sah er Ella im Behandlungszimmer arbeiten. In der letzten Woche hatte Ella viel Zeit darauf verwandt, Fannie in den Umgang mit Marions Krankheit einzuweisen. Sie war eine gute Lehrerin, einfühlsam und geduldig, vorsichtig und offen für Fannies endlose Fragen und Ängste. Ella hatte Marions Teddybär benutzt, um die günstigsten Einstichpunkte für die Spritzen zu zeigen, und um Fannie die Möglichkeit zu bieten, das Insulinspritzen zu üben. Aufgrund ihrer Drogenvergangenheit hatte sie gezögert, Fannie die Injektionsspritzen zu geben, doch Fannie hatte auf einen ganzen Stapel Bibeln geschworen, dass sie clean war. Und jeden Tag ging es ein bisschen besser – wenigstens was das Training betraf.
    Harris sah hinüber zum Haus und hatte nicht mehr das Gefühl von Geborgenheit und Wohlbefinden, das ihn in den letzten Wochen und Monaten so glücklich gemachte hatte. Wieder war sein Haus ein Ort der Auseinandersetzung geworden.
    Die tägliche Routine war ihr Rettungsanker. Morgens standen sie auf und frühstückten. Harris griff nach einem Toast und machte sich auf den Weg in die Klinik. Wenn er zurückkam, erduldeten sie das Geklirr und Geklapper des Bestecks, während sie schweigend ihr Essen zerteilten und hinunterschluckten. Anschließend flüchteten sie in ihre täglichen Aufgaben. Aus einem Tag wurden zwei, dann eine Woche, zwei Wochen, und immer noch hielten sie diese absurde Höflichkeit aufrecht. Als Ella sich entschloss, mehr Zeit in der Klinik zu verbringen, änderte sich die Routine ein wenig, aber die Spannung blieb.
    Und die Freude war verschwunden. Ella zog sich immer mehr zurück. Sie sprachen kaum noch miteinander, und wenn, dann nur das Nötigste. Ella konnte seine Berührungen nicht mehr ertragen. Sogar unbeabsichtigte Körperkontakte ließen sie zurückzucken. Die Anspannung spiegelte sich deutlich in ihrer brüchigen Stimme und ihrem blassen Gesicht wider. Jedes Mal, wenn ihre Blicke sich trafen, erkannte er ihren Schmerz, doch sie sagte nichts.
    Fannie hingegen blühte auf. Die tägliche Routine, die gesunde Ernährung und die endlosen Stunden, die sie mit Marion draußen verbrachte, zauberten einen rosigen Schimmer auf ihre Wangen. Sie trug kein Make-up mehr und erinnerte inzwischen wieder mehr denn je an die Schönheit, die sie war, als er sich damals in sie verliebte. Oft versuchte sie, mit ihm allein zu sein oder ihn zu verführen. Doch wann immer sie sich ihm näherte, wies er sie zurück. Er hatte keine Gefühle mehr für sie.
    Als Harris aufsah, erblickte er Fannie, die auf ihn zukam. Sie lief anmutig und selbstsicher über den Hof, so als gehörte sie hierher und wäre nie fort gewesen. Noch immer trug sie diese engen Shorts und knappen Oberteile, die ihre Taille betonten, aber doch eher zu jungen Mädchen passten. Manchmal fragte er sich, ob ihr Aussehen auch Ausdruck ihrer geistigen Reife war. Wahrscheinlich würde sie irgendwann zu jenen bemitleidenswerten Menschen gehören, die nie erwachsen werden wollten. Wie Peter Pan klammerten sie sich an ihre Jugend und weigerten sich, Verantwortung zu übernehmen.
    “Wo ist Marion?” fragte er, als sie näher kam.
    Sie deutete auf die Volieren der Dauerbewohner. “Sie wollte den Krähen ‘Hallo’ sagen. Lijah ist bei ihr.” Fannie beugte sich aufreizend nach vorn. Ihre Augen funkelten. “Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich gut um unser kleines Mädchen.”
    Er runzelte die Stirn und widmete sich erneut seinem Kampf mit dem widerspenstigen Zaun.
    “Was tust du?” fragte sie und kam näher.
    “Ich baue einen Zwinger für die beiden Geier da drüben.”
    “Oh”, antwortete sie und warf einen flüchtigen Blick auf die Vögel. “Harris, kannst du mal für eine Minute damit aufhören – wir müssen reden.”
    Zögernd sah er auf. “Worüber?”
    “Du weißt worüber. Über uns.”
    Er seufzte, richtete sich auf und blickte ihr fest in Augen. “Es gibt kein
uns
mehr.”
    “Ich weiß. Darüber möchte ich ja mit dir reden.”
    Harris warf einen Blick über die Schulter zum Klinikfenster. Offensichtlich hatte Ella den Raum verlassen, denn er konnte sie nicht mehr sehen. “Komm mit”, sagte er und führte Fannie in den Schatten der Eiche.
    Sie folgte ihm

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