Dem Himmel entgegen
fühlte er überhaupt nichts mehr für Fannie, außer vielleicht Mitleid. Müde deutete er auf einen Stuhl. “Setz dich. Möchtest du Kaffee?”
“Bemüh dich nicht. Ich hole mir welchen.”
Sie ließ die Tasche auf den Boden fallen und ging in die Küche. Augenblicke später kam sie mit einer Tasse in der Hand zurück. Sie wirkte dünn und abgespannt, mit dunklen Ringen unter ihren verschwollenen Augen. Die rosige Gesichtsfarbe, die sie nach ihrer Ankunft gewonnen hatte, war verschwunden. Es war ihr nur so gut gegangen, weil Ella sich um sie gekümmert hatte, wurde ihm schlagartig klar. Fannie war wie ein Kind. Sie konnte nicht für sich selbst sorgen.
Sie starrte in ihren Kaffee und hatte die Tasse fest umklammert. Mit dünner Stimme sagte sie: “Bist du dir sicher, dass du mir keine weitere Chance gibst?”
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und konnte nicht glauben, dass sie ihn das nach allem, was passiert war, noch fragte. Einen Moment lang sahen sie sich an.
“Fannie, ich will die Scheidung.”
Abrupt hob sie den Kopf, und in ihren Augen spiegelte sich ihre Fassungslosigkeit wider. “Die
Scheidung?”
“Das ist überfällig, findest du nicht?”
“Nein, das finde ich nicht!”
“Sprich leiser. Marion schläft noch.”
“Ich will mich nicht scheiden lassen”, sagte sie, um einen Flüsterton bemüht.
“Aber ich.”
Sie sah ihn fest und unnachgiebig an. “Ich werde der Scheidung auf keinen Fall zustimmen”, erwiderte sie und schüttelte verzweifelt den Kopf.
“Das Gesetz ist auf meiner Seite, Fannie”, sagte er behutsam. “Da wären Verlassen der Familie, Verletzung der Aufsichtspflicht, Suchtprobleme …” Während er sprach, hatte er mit den Händen gestikuliert, doch nun legte er sie flach auf den Tisch. “Und ich will das Sorgerecht.”
Als Fannie merkte, dass Harris es ernst meinte, erbleichte sie. “Es ist diese Ella, habe ich Recht?”
Er schüttelte den Kopf. “Du bist der Grund. Und ich und Marion. Es ist einfach das Beste.”
Sie hob das Kinn, lehnte sich zurück und stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab. Den Kopf geneigt sagte sie in einem selbstgefälligen Ton: “Ach ja? Denkst du, du bist so klug und hättest mich in der Hand? Ich weiß auch ein paar Dinge, Mr. Harris Henderson. Es wird den Anwälten sicherlich nicht gefallen, dass du mit deiner Freundin zusammengezogen bist.”
“Das ist mir egal. Ich werde die Scheidung durchbringen, Fannie.”
“Vergiss nicht, dass ich immer noch deine Frau bin und im Falle einer Scheidung die Hälfte von allem bekomme, was dir gehört. Das betrifft auch das Center. Alles, wofür du gearbeitet hast. Lass dich von mir scheiden, und ich werde dich zugrunde richten.”
Er zuckte die Schultern. “Dann passiert das eben.”
Sie sah ihn an, unfähig, etwas zu erwidern.
Einige Momente saßen sie noch am Tisch und blickten sich wortlos an. Jeder von beiden hatte gerade die schlimmsten Drohungen gegenüber dem anderen ausgesprochen. Alles, was sie in den sieben Jahren ihrer Ehe nicht zu sagen gewagt hatten, war nun zur Sprache gekommen.
Ich will die Scheidung
.
Ich werde dich zugrunde richten
.
Und nun, nachdem alles gesagt war, erschien die Realität nicht so furchtbar, wie sie erwartet hatten.
“Fannie, ich will dich nicht verletzen”, sagte Harris vorsichtig und spürte, dass sie eine neue Ebene ihrer Beziehung erreicht hatten. “Ich möchte mehr aus meinem Leben machen. Ich will glücklich sein.” Er zuckte die Schultern. “Außerdem verstehe ich nicht, warum du dich so an diese Ehe klammerst. Sie ist schon lange kaputt.”
“Weil ich dich liebe, Harris. Und ich liebe Marion.”
Ihre Worte hingen in der Luft – und klangen so falsch.
“Wir beide wissen, dass das nicht die Wahrheit ist. Marion und ich, wir sind müde, das Polster für deine Bruchlandungen zu spielen. Wenn du jemanden wirklich liebst, dann entscheidest du dich dafür, seine oder ihre Bedürfnisse über die deinen zu stellen”, sagte er und dachte an Ella, von mehr Liebe zu ihr erfüllt, als er jemals zuvor empfunden hatte. “Das Einzige, was du liebst, ist deine Sucht. Du hast dich immer für sie entschieden und sie mir oder Marion und sogar deinem eigenen Wohlbefinden vorgezogen. Warum, Fannie? Warum?”
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, wirkte gehetzt und antwortete ehrlich … sanft: “Ich weiß es nicht.”
“Lass mich dir helfen”, sagte er und lehnte sich vor. Er griff nach einem Stück Papier, das auf dem
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