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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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wenn sie lernten, mit dem umzugehen und vor allem zu verstehen, was es vor ihrer eigenen Haustür gab, würden sie schnell wissen, was wirklich
wild
war, und wären dann auch bereit, es zu schützen. Für ihn war Aufklärung der Schlüssel.
    Heute würde sein Engagement für die Bildung jedoch auf eine harte Probe gestellt werden. Harris stemmte die Hände in die Hüften und wartete am Rand des Parkplatzes des Vogel-Centers, während ein alter Chevy um die Kurve bog und keuchend zum Stehen kam. Er war nicht glücklich darüber, dass dieser Rowdy ins Center kam, aber das Gericht hatte argumentiert, dass es von erzieherischem Wert war, ja vielleicht sogar ein Zeichen für die ganze Gemeinde, Brady seine gemeinnützige Arbeit in einem Center für Raubvögel ableisten zu lassen – den Tieren, denen er so viel Leid zugefügt hatte.
    Das könnte stimmen, dachte er bei sich, als er den zerzausten Jungen in ausgebeulten Jeans, Sweatshirt und zerrissener Jeansjacke aus dem Truck klettern und die Beifahrertür mit Gewalt zuschlagen sah. Es gab genug zu tun im Center, aber er würde unter keinen Umständen zulassen, dass der Junge in die Nähe seiner Vögel kam.
    Die Fahrerin war eine untersetzte Frau, blass und mit teigiger Gesichtsfarbe, die eine verwaschene schwarze Hose, einen grünen Strickpulli und Tennisschuhe trug. Ihr blondes Haar hatte die gleiche Farbe wie die des Jungen, nur dass es mit grauen Strähnen durchzogen war – er nahm daher an, dass sie seine Mutter war. Doch da hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Brady Simmons war groß für sein Alter, mit einer jungenhaften Schlaksigkeit, aber den breiten Schultern eines Mannes. Ein Störenfried, dachte er bei sich und presste die Kiefer aufeinander, als er die wilde Frisur und den Ohrring sah.
    Die Frau begleitete den Jungen den Weg hinauf bis zum Rollgitter. “Mr. Henderson?” fragte sie mit der unverkennbar breiten ländlichen Aussprache. Als er nickte, fuhr sie fort: “Ich bin Delia Simmons, Bradys Mutter. Dies hier ist mein Sohn.” Sie drehte sich um und zeigte auf den Jungen.
    Brady trat hinter seiner Mutter hervor, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, und hielt den Kopf gesenkt und seinen Blick zu Boden gerichtet.
    “Brady”, sagte sie scharf. “Sag Hallo zu Mr. Henderson.”
    Brady hob die Augen, nahm nur kurz die Hand aus der Hosentasche, um sie Harris entgegenzustrecken, zog sie dann blitzschnell wieder zurück und murmelte “Hallo”.
    Harris konnte die Verärgerung über das schlechte Benehmen ihres Sohnes deutlich in den Augen der Mutter erkennen. Aber er schwieg. Er wollte keinem von beiden einen Grund geben, sich in dieser Situation entspannter oder gar willkommen zu fühlen. Seine Abneigung gegen den Jungen und seinen Vater – und gegen die Mutter, die ja zur Familie gehörte – war wie eine schmerzhafte Wunde, die nicht abheilen wollte.
    “Er ist hier, um zu tun, was immer Sie ihm auftragen”, erklärte Delia Simmons. “Er weiß, dass das, was er getan hat, falsch war, und er ist hier, um es wieder gutzumachen.” Sie nickte unaufhörlich, als wolle sie ihrem Satz unsichtbare Ausrufezeichen hinzufügen.
    “Wir werden ihn schon zu beschäftigen wissen.”
    “Hm-hm. Das ist gut.” Wieder nickte sie. Es schien, als würde sie ahnen, was ihren Sohn im Center erwartete, denn sie blickte Harris mit ihren blassen Augen flehentlich an. “Was er getan hat, tut ihm wirklich Leid. Brady ist ein guter Junge. Er packt zu Hause mit an. Und er hilft mir sehr bei den Kindern. Außerdem ist er klug. Seine Lehrer sagen mir das immer wieder, und bis jetzt hatten wir noch nie Ärger mit ihm. Die Wahrheit ist, dass ich seinen Vater für die Schwierigkeiten verantwortlich mache, in denen Brady jetzt steckt. Denn er war es, der den Jungen in das Naturschutzgebiet mitgenommen hat. Wir hoffen, dass Brady sich hier gut benimmt und wir die ganze schlimme Sache endlich hinter uns bringen können.”
    Der ganze Vortrag klang in Harris Ohren zu auswendig gelernt, um ihn zu rühren. Der Junge scharrte mit den Füßen und starrte in die Ferne. Offensichtlich wünschte er sich, an einem Ort weit weg vom Center zu sein. Irgendwo – nur nicht da, wo er jetzt war. Harris warf Mrs. Simmons einen strengen Blick zu, der ihr sagen sollte, dass es sich bei dem Gespräch nicht um ein klassisches Eltern-Lehrer-Gespräch handelte, bei dem sie mit rührseligen Geschichten Eindruck schinden konnte.
    “Die ganze
Sache
, wie Sie sie nennen, wird erst hinter uns

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