Dem Himmel entgegen
Helfer. Und du, Brady Simmons, bist kein freiwilliger Helfer. Du musst besonders lange und besonders hart arbeiten, um meine Einwilligung zu bekommen. Wir sind alle hier, um für die Vögel da zu sein. Nicht andersrum.”
“So ist es”, fiel Lijah inbrünstig ein.
Brady warf dem alten Mann einen misstrauischen Blick zu.
“Siehst du den Behälter mit der flüssigen Seife dort drüben? Und die Bürsten? Und den Schlauch? Lijah wird dir zeigen, wie man mit all dem Werkzeug umgeht, und mit ein wenig Muskelkraft wirst du dann jeden einzelnen Käfig sauber schrubben.”
Bradys Augen glommen vor Zorn, als er die vierzehn Käfige in unterschiedlichen Größen, von klein bis extra groß, sah. “
Alle?”
“Das sind erst mal alle, ja. Aber jeden Tag kommen neue dazu. Das hält dich auf Trab.”
“Aber … die sind total voll mit verkrusteter Vogelscheiße!”
Harris genoss die Qualen des Jungen und musste sich ein Lächeln verkneifen. “Wir pflegen es Kot zu nennen. Das macht es ein bisschen einfacher. Aber die Wahrheit ist, Vogelscheiße gehört zum Leben mit den Tieren dazu. Du wirst jede Menge Kot beseitigen in den nächsten sechs Monaten. Kot aus Käfigen, Pferchen und aus Handtüchern. Wir alle tun das. Schon bald wirst du nicht mehr darüber nachdenken. Stimmt’s, Lijah?”
“Ganz genau.”
Harris grinste und drehte sich dann zu dem Jungen um. “Verstehst du, was ich meine? Und nun lasse ich dich in Lijahs wunderbarer Obhut.”
Harris konnte an der rebellischen Miene Bradys ablesen, dass ihm die ganze Sache überhaupt nicht passte. Aber er konnte nichts dagegen tun. Brady Simmons musste in den nächsten Monaten mit einigem rechnen. Jede Tat zog ihre Konsequenzen nach sich, und der junge Brady war gerade dabei, diese einfache Erkenntnis zu gewinnen.
Ella saß am ovalen Holztisch, kaute auf dem Radiergummi des Bleistiftes herum und brütete über etwas, das eine sehr lange Lebensmittelliste werden würde. Die Situation war ernst. Nachdem sie die Reste des erbärmlichen Frühstücks weggeräumt hatte, hatte sie fast eine Stunde damit zugebracht, durch die feuchte, schmuddelige Speisekammer zu streifen und unzählige staubige, überfüllte Schränke zu öffnen. Es gab alte, zerbeulte Töpfe und Pfannen, nur sehr wenige moderne Annehmlichkeiten und kaum Lebensmittel, mal abgesehen von einigen Konservendosen und unglaublich vielen unterschiedlichen Gewürzen – alles in allem war nichts im Haus, was für eine diabetische Ernährung geeignet gewesen wäre.
Marion musste sich von nun an zuckerarm, fettarm und salzlos ernähren und viele Ballaststoffe, Müsli, Früchte und Gemüse zu sich nehmen. Sie brauchte auch für zwischendurch leckere Snacks, also hatte Ella Rosinen, Käse und Cracker mit auf die Liste gesetzt sowie kleine Trinkpäckchen und Nüsse. Das alles konnte man leicht mitnehmen, wenn man mal einen Ausflug machte oder in die Stadt gehen wollte. Nachdenklich blickte sie auf die Liste und kam zu dem Schluss, dass sie alle gesünder leben würden, auch wenn sie dafür auf ihre mitternächtlichen Schokoladensnacks verzichten musste. Sie seufzte, als sie nach ihrer Kaffeetasse griff. Die Kekse, die sie oft abends genascht hatte, waren ihr einziges Laster, aber sie konnte wohl schlecht Gebäck essen, wenn die kleine Marion darauf verzichten musste.
Sie fügte noch ein paar Putzmittel hinzu und strich schließlich, zufrieden mit sich selbst, die Liste mit den Händen glatt. Wenn sie ein Kind im Krankenhaus sah, handelte es sich immer um einen Notfall. Sie versuchte dann, das Problem so gut wie möglich zu lösen, und schickte das Kind anschließend wieder nach Hause. In Marions Fall konnte sie die Probleme schon im Vorfeld abwenden. Sie konnte das Leben des Kindes entscheidend verbessern – ja sogar verlängern.
Unvermittelt erschien das Bild eines kleinen Jungen, der reglos in seinem Krankenhausbettchen lag, vor ihrem inneren Auge. Ella nahm ihre Brille ab und rieb sich die Augen. Der Schmerz der Erinnerung war noch immer stark und qualvoll. Bei
diesem
Kind würde sie nicht versagen, das schwor sie sich.
Sie öffnete die Augen wieder und sah auf ihre Armbanduhr. Es war höchste Zeit für kleine schlafende Kinder, aufzuwachen und die Blutwerte zu testen.
Die Treppe hinauf zum Schlafzimmer unter dem Dach war sehr eng und steil. Die Stufen knarrten unter ihren Schritten. Sie stieß die schmale Tür zu einem wundervollen Zimmer mit zwei Giebelfenstern auf, das durchflutet war vom blassen Licht des
Weitere Kostenlose Bücher