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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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schlank und schmal gebaut. Doch wenn sie ihre Schultern straffte und ihn mit ihren blitzenden braunen Augen ansah, wirkte sie so eindrucksvoll wie ein Falke, der sein Federkleid aufplusterte, wenn er sich bedroht fühlte.
    “Es tut mir Leid”, sagte er schließlich. “Ich wollte nicht barsch klingen. Es ist nur …”
    “Es geht ihr gut”, unterbrach ihn Ella, und ihre Körperhaltung entspannte sich ein wenig. “Wirklich. Sie muss nur ihre Wut loswerden, und es wäre nicht ratsam, danebenzustehen und ihr so eine Angriffsfläche zu bieten. Das ist es doch, was sie will – mich manipulieren.” Ihre Mundwinkel zuckten. “So wie sie Sie manipuliert.”
    Harris schien bestürzt. “Nein, das tut sie nicht.”
    “O doch, das tut sie. Sie spielt mit Ihnen Katz und Maus.”
    Verlegen trat er von einem Bein auf das andere, und ein leichtes Lächeln erhellte sein Gesicht. “Na gut, manchmal kann sie das wirklich. Wie waren ihre Werte heute Morgen?”
    “Schlecht”, antwortete sie und wurde ernst. “Ziemlich schlecht sogar. Als ich sie weckte, war es eindeutig, dass ihre Insulinwerte zu niedrig waren. Ich habe sie gecheckt und ihr dann sofort das Medikament gespritzt. Keine einfache Aufgabe, wie Sie ja selbst wissen. Offen gesagt, Mr. Henderson, bin ich beunruhigt. Ich muss ihren Blutzuckerspiegel in den Griff bekommen. Die Werte sind völlig durcheinander.”
    “Ich … Also … sie waren schwierig einzuhalten.”
    “Das glaube ich. Zusätzlichen Stress hat noch die Veränderung verursacht, die mein Erscheinen hier mit sich gebracht hat. Sicher ist aber, dass wir einige entscheidende Änderungen vornehmen müssen. Und das sofort. Sie muss früher schlafen gehen. Das späte Zubettgehen ist niemals gut für ein diabeteskrankes Kind. Außerdem dürfen wir ihre Wutausbrüche nicht mehr dulden. Sie wird jetzt regelmäßig getestet. Und es dürfen keine Versuchungen in Form von Süßigkeiten mehr im Haus zu finden sein, denn sonst wird es früher oder später zum Unvermeidlichen kommen.”
    “Sehen Sie, ich bin mir bewusst, dass ich es vermasselt habe. Ich habe die Symptome nicht erkannt, und nun bin ich offensichtlich mit der Pflege meiner Tochter überfordert. Ich habe versagt, okay? Was soll ich noch sagen?”
    “O nein, Mr. Henderson! Bitte. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten oder Sie kritisieren! Ich glaube ganz und gar nicht, dass Sie versagt haben.”
    Das sah er anders.
    “Ganz im Gegenteil. Sie haben das ganz hervorragend gemacht, als Sie auf sich selbst gestellt waren. Diabetes ist eine Krankheit, die nicht einfach zu behandeln und zu versorgen ist. Es gibt so viel, was man lernen und tun muss, besonders zu Beginn dieser Krise. Sie haben sie hergebracht und aufgepäppelt und schließlich die richtige Entscheidung getroffen, mich zu engagieren, damit ich mich um Marion kümmere. Und wegen der Symptome … Niemand kann Ihnen dafür die Schuld geben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Eltern, die ihre Kinder in die Notaufnahme bringen mussten, mir dasselbe erzählt haben. Sie denken, dass sie Schuld tragen an der ganzen Sache. Oft sind sie der Meinung, sie haben ihre Kinder falsch ernährt. Aber die Wahrheit ist, dass nichts, was diese Eltern oder Sie getan haben, den Ausbruch der Krankheit unterstützt hat. Sie dürfen sich nicht die Schuld dafür geben oder denken, dass Sie versagt haben.”
    Er schwieg. Er konnte einfach nichts sagen.
    “Marions Blutwerte unter Kontrolle zu bringen ist ein täglicher – stündlicher – Kampf. Ich bin Krankenschwester. Ich habe mich eingehend mit der Krankheit beschäftigt und bin schon oft damit umgegangen. Ganz ehrlich: Ich habe Angst, dass
ich
versagen könnte.”
    Sie steckte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und atmete ein Mal tief durch. “Und wenn ich manchmal einen Befehlston wie ein General anschlage, verzeihen Sie mir bitte. Sie wären nicht der Erste, dem das missfällt. Es … es ist eben nur meine Art, mich dem Problem zu nähern. Ich greife lieber frontal an. Aber das Gute an der Sache ist, dass wir uns nicht allein mit der Aufgabe auseinander setzen müssen – wir sind zu zweit und müssen nur zusammenarbeiten.”
    Harris spürte, wie das Gefühl von Schuld, das auf seinen Schultern gelastet hatte, langsam zu schwinden begann. Plötzlich sah er Miss Ella Elizabeth Majors mit ganz anderen Augen. Sie war nicht kritisch, sondern wollte ihn nur unterstützen. Sie wollte ihn auch nicht als Versager abstempeln. Vielmehr hatte sie Angst vor

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