Dem Himmel entgegen
Küche, bis sie auf der Türschwelle zum Wohnzimmer stand, wo sie abwartend stehen blieb. Sie schaute nachdenklich zu, wie Marion mit ihrer Puppe Lulu unter dem Arm zum Fernsehgerät trottete und ausführlich gähnend den Apparat anschaltete.
Ella schlang ihre Arme um den Körper und wartete.
Als der Fernseher nicht ansprang, drückte Marion den Knopf noch einmal und dann mit wachsender Ungeduld wieder.
“Es wird nicht angehen”, erklärte Ella ihr mit ruhiger Stimme.
Marion drehte sich abrupt zu ihr um. “Warum nicht?”
Ella befeuchtete ihre Lippen und trat in den Raum. “Für eine Weile wird es kein Fernsehen mehr geben.”
“Ist das Gerät kaputt?”
In diesem Moment wäre es viel einfacher gewesen, zu lügen und “Ja” zu sagen. Schließlich war Marion erst fünf Jahre alt. Sie brauchte keine lange Erklärung. Ella hatte den Apparat einfach ausgestöpselt. Aber sie wollte die Beziehung zu Marion nicht mit einer Lüge beginnen. Sie hielt es für besser, dass Marion verstand, worum es ging und warum es so war. Dann könnte sie sich auch leichter damit abfinden.
“Nein, es ist nicht kaputt”, erwiderte sie. “Ich habe es nur so eingestellt, dass es eine Zeit lang nicht funktioniert.”
Marion sah sie ungläubig an, dann verzog sie das Gesicht und jammerte: “Ich will aber fernsehen!”
“Lass uns stattdessen doch lieber einen Spaziergang machen”, schlug Ella vor und hielt Marion die Hand hin. Marion jedoch verschränkte wütend die Arme und wandte sich beleidigt ab. Ella schickte leise ein Stoßgebet gen Himmel und versuchte eine andere Taktik. “Möchtest du vielleicht eins von deinen Spielen spielen? Ich bin ziemlich gut darin. Du darfst dir eines aussuchen.”
“Nein! Ich will fernsehen!” Dieses Mal klang Marions Stimme schon lauter und bestimmter.
“Marion, ich mag dich viel zu sehr, als dass ich dich jeden Morgen wie eine traurige Tomate vor dem Apparat sitzen lasse. Es gibt jede Menge lustiger Sachen, die wir gemeinsam unternehmen können.” Sie sah, wie die Augen des Mädchens zornig funkelten, und wusste, dass das große Finale des Kampfes noch bevorstand. Ella zermarterte sich das Gehirn, um herauszufinden, womit man eine Fünfjährige locken konnte. “Wie wäre es, wenn wir mit deinen Puppen spielen? Oder in einem deiner Malbücher malen? Später besorge ich noch Farben, wenn du magst. Malen ist mein Hobby, und ich kann es dir beibringen. Was meinst du?”
Marion ging in Angriffsposition und schrie all ihren Zorn und die unbändige Wut, die sich in ihr angestaut hatten, heraus: “Ich
sagte
, ich will fernsehen!”
Ella blieb hart und faltete die Hände vor ihrem Körper: “Das wird nicht passieren. Du musst dich damit abfinden und dir etwas anderes überlegen, was du gerne tun würdest.”
“Nein!” Marion stampfte wie von Sinnen zum Fernsehapparat und versuchte erneut, ihn einzuschalten. Als er – wie zu erwarten – nicht ansprang, wurde sie so zornig, dass sie eine Faust ballte und auf das Gerät schlug. “Aua!” schrie sie und hielt ihre schmerzende Hand an ihren Brustkorb gedrückt. Die ersten Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie hatte verloren und fühlte sich gedemütigt.
Es war herzzerreißend, diese Szene zu beobachten, und Ella musste sich zurückhalten, um nicht tröstend den Arm um die Kleine zu legen.
“Ich hasse dich!” schrie Marion und wich zurück, als fürchte sie Ellas Berührung. “Du bist böse! Du lässt mich immer nur das tun, was du willst. Nie darf ich tun, was ich will!”
“Marion …”
“Ich wünschte du wärest niemals hergekommen! Ich will, dass du wieder gehst. Und du sollst nie mehr wiederkommen!”
“Es tut mir Leid, dass du so denkst, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du heute Morgen nicht fernsehen wirst.”
Das war zu viel. Marion warf sich aufs Sofa und begann sich zu winden und hysterisch zu kreischen. Ihr Kopf wurde so rot wie ein angeheiztes Feuer, das für Stunden heiß brennen sollte.
Ella holte tief Luft, um ihre langsam aufwallende Frustration unter Kontrolle zu halten und im Angesicht der Krise die Ruhe zu bewahren, wie sie es als Krankenschwester gelernt hatte. “Wenn du fertig bist, kannst du zu mir in die Küche kommen”, sagte sie laut, um das Geschrei zu übertönen. “Ich wische gerade die Schränke aus, und vielleicht möchtest du mir ja behilflich sein.”
“Ich hasse dich! Ich wünschte, du wärest niemals hierher gekommen!”
Ella trafen die Worte mit aller Wucht. Sie biss
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