Dem Himmel entgegen
nicht bewusst, dass man bei der Arbeit so schwitzen kann, obwohl es draußen eiskalt ist. Einige dieser Böden waren echt schwierig sauber zu kriegen.”
“Das hast du gut gemacht”, sagte Lijah, und Anerkennung schwang in seiner Stimme mit. “Es gibt nichts zu beanstanden.” Die beiden standen nebeneinander, tranken schweigend ihre Cola und betrachteten die Käfigböden, als seien sie das Interessanteste auf der Welt. Nachdem sie ausgetrunken hatten, nahm Lijah die Dosen, wusch sie aus und legte sie in die Recyclingtonne, während Brady die Putzutensilien wegräumte und den Schlauch aufwickelte.
Brady hatte seine Aufgaben erledigt und stand nun mit den Händen in den Hosentaschen auf dem Hof, wippte auf seinen Zehenspitzen vor und zurück und war sich nicht sicher, was er als Nächstes tun sollte. Lijah stand einige Meter von ihm entfernt. Er blickte mit dem üblichen gelassenen Ausdruck in seinem Gesicht über das Gelände. Die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt. Brady wollte ihn nicht stören. Sein Vater hatte ihm beigebracht, einen Erwachsenen nie zu unterbrechen, sondern geduldig zu warten, bis dieser das Wort an ihn richtete.
Nach einer kurzen Weile sah Lijah ihn an und sagte mit unbeschwertem Ton: “Es ist an der Zeit, zu sehen, wofür all die Arbeit hier gut ist.”
Brady musste sich beeilen, um mit den langen Schritten Lijahs mitzuhalten. Sie liefen quer über den Hof zu den Käfigen mit den verwundeten Vögeln. Er war aufgeregt, denn er hatte nicht damit gerechnet, an diesem Tag erstmals in ihre Nähe zu dürfen. Er war neugierig auf die Raubvögel, doch das hatte er noch nie jemandem erzählt. Auch jetzt achtete er darauf, seine Miene möglichst unbeteiligt wirken zu lassen, während er Lijah folgte. Es hatte sich für ihn nie ausgezahlt, seinen Mitmenschen zu zeigen, wie es ihm ging.
Die Käfige, in denen sich die behandelten Vögel erholten, standen in einem großen Pferch zusammen. Durch einige wild wuchernde Büsche waren sie vom Klinikgebäude abgetrennt, und hoch gewachsene Kiefern und ein alter Eichenbaum spendeten Schatten. Lijah zog den Riegel hoch und öffnete die Holztür mit dem Fliegengitter zu dem Pferch. Beim Eintreten sah Brady neun Käfige, je vier an den Seiten und der letzte am Ende des schmalen befestigten Weges. Sie waren aus Holz gefertigt, mit etwa 2,5 cm breiten Schlitzen, durch die er hineinsehen konnte. Über allem befand sich eine grüne Plastikkuppel mit Fliegengitter, die das ganze Gebäude wie einen Wintergarten wirken ließ.
Ein junges dunkelhäutiges Mädchen trug einen blassgrünen Plastikeimer mit fetten weißen Ratten und schwarzen Mäusen, von denen einige ausgenommen waren, sowie einigen großen Fischen. Sie trug diesen Eimer mit einer Würde zu den Vögeln, als wäre sie damit beschäftigt, königlichen Hoheiten ihr Essen zu servieren.
Brady war überrascht, wie hübsch sie aussah. Sie war schlank und fast so groß wie er selbst. Unter ihrer dicken Fleecejacke trug sie das gleiche weiße T-Shirt mit dem “Coastal Carolina Center für Raubvögel”-Aufdruck, das alle freiwilligen Helfer trugen. Alle, außer ihm, natürlich.
“Guten Morgen, Clarice”, sagte Lijah und winkte ihr zu.
“Guten Morgen, Lijah”, erwiderte sie heiter. Doch als ihr Blick auf Brady fiel, erstarb das Lächeln, und sie sah ihn mürrisch an. “Was macht
der
denn hier? Harris hat doch gesagt, er will ihn nicht in der Nähe der Vögel sehen.”
“Er ist mit mir gekommen”, sagte Lijah ruhig. “Kümmere dich weiter um deine Aufgaben.”
Clarices fein geschwungene Augenbrauen zogen sich missmutig zusammen, doch sie tat, wie ihr befohlen worden war. Brady beobachtete gespannt, wie sie eine der Volieren öffnete und schnell hineinschlüpfte. Er konnte das aufgeregte Schlagen von Flügeln hören und ihre leise, beruhigende Stimme: “Alles in Ordnung, mein Junge, ich bringe nur das Frühstück.”
Lijah räusperte sich, und Brady wandte ihm wieder hastig den Kopf zu.
“Schließe jede Tür, sobald du durchgegangen bist”, erklärte ihm Lijah, und Brady tat wie ihm geheißen. “Jede Voliere muss so schnell wie möglich wieder geschlossen werden. So ein Vogel entwischt schneller, als man glaubt.”
Brady sah zu, wie Clarice eine Käfigtür hinter sich zumachte und vorsichtig mit ihrem Eimer, den sie auf ihrer schmalen Hüfte trug, zum nächsten Käfig ging. Jedes Mal entriegelte und verriegelte sie die Tür sorgfältig.
“Vergiss nicht, dass es wilde Vögel sind,
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