Dem Himmel entgegen
hinunter, um nach ihrer Tabelle und ihrem Werkzeug zu greifen und ging zur Tür. “Tschüss. Wir sehen uns Sonntag.” Sie warf Brady einen kühlen Blick zu, bevor sie Lijah ein Lächeln voller Wärme und Zuneigung schenkte.
Brady wandte den Kopf ab und tat so, als hätte er es nicht bemerkt. Er sah in den Käfig und betrachtete eingehend den bandagierten Flügel des Adlers. Auf dem Verband zeichnete sich helles, rotes Blut ab.
“Wie geht es ihr?”
“Den Umständen entsprechend. Zwar heilt ihr Flügel ziemlich gut, aber sie frisst nicht so, wie sie sollte.”
Brady sah den großen Fisch, den Clarice auf einem Stein zu ihren Füßen hatte liegen lassen, doch er war unberührt. Santee schien nicht das geringste Interesse daran zu haben.
“Warum nicht?”
Lijah zuckte die Schultern. “Ich weiß es nicht, und ich mache mir Sorgen.”
“Also, sie sieht doch gut aus. Ich meine, ich würde nicht unbedingt in den Käfig gehen und mich mit ihr anlegen. So viel ist sicher. Sehen Sie sich nur einmal die gewaltigen Krallen an. Sie scheint bereit zu sein, mich zu zerreißen.”
“Adler sind so”, antwortete Lijah und wandte seinen Blick nicht von dem Tier. “Die meisten Greifvögel sind so. Sie können es sich nicht leisten, Schwäche zu zeigen. Sie verstecken ihre Wunden und verbergen ihre Schmerzen, damit die anderen Tiere nicht bemerken, dass sie schwach sind. Andernfalls wären
sie
nämlich die Beute.”
“Davon habe ich gehört”, sagte Brady. Auf die gleiche Art und Weise überlebte er selbst in der Schule und manchmal sogar in seinem eigenen Zuhause. “Ich hoffe, sie wird wieder ganz gesund”, murmelte er.
“Oh, ich bin mir sicher, dass sie wieder gesund wird. Ihre Einstellung ist gut. Sie hat ein Ziel – sie hat ihr Nest, zu dem sie wieder zurückwill.”
“Ich habe gehört, dass die Eier nicht ausgebrütet worden sind, und die Küken sind nicht geschlüpft.”
“Nein.”
“Wie viele waren im Nest?”
“Zwei. Vielleicht auch drei.”
“Wird sie noch mehr Eier legen?”
“Nicht in diesem Jahr.”
Brady fühlte, wie sich die Last seiner Schuld verdreifachte. “Ich … ich wollte ihr nicht wehtun.”
“Ich weiß, dass du das nicht wolltest, mein Junge.”
Brady sah auf. Etwas in der Art, wie er es gesagt hatte, und ein wissender Ausdruck in seinen Augen, ließen Bradys Herz höher schlagen. Wie meinte er das? Außer ihm und seinem Vater war an jenem Morgen niemand auf dem Feld gewesen.
“Ich habe gehört, dass sie den verletzten Adler entdeckt haben”, sagte er.
“Das stimmt. Ich war hinter ihr, auf dem Weg zu ihrem Nest.”
“Sie sind ihr gefolgt? Sie meinen, Sie haben gesehen, wie sie angeschossen wurde?”
“Gesehen und gehört.”
Brady errötete und stammelte: “Sie … Sie haben gesehen, wer auf den Vogel geschossen hat?”
Lijah schwieg lange, bevor er endlich antwortete: “Ich sah einen großen, breiten Mann, der eine Schrotflinte trug. Und einen Jungen, der ein Gewehr dabeihatte.”
Brady riss die Augen auf.
“Und ich weiß, dass mein Vogel durch Schrotkugeln verletzt wurde.”
Brady fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und murmelte einen wüsten Fluch. “Sie werden es niemandem verraten, oder?”
“Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich es schon längst getan.”
“Ich verstehe nicht …”
“Das ist eine Sache, die zwischen dir und deinem Vater ausgetragen werden sollte.”
Brady atmete aus, erleichtert, aber immer noch verwirrt. Verlegen trat er ein paar Kieselsteine weg.
“Ich bin neugierig”, sagte Lijah. “Du könntest Harris doch die Wahrheit sagen. Dann würde sich die Situation zwischen euch sicherlich ein bisschen entspannen.”
“Nein!” platzte Brady heraus. “Ich will nicht, dass er es weiß. Niemand soll die Wahrheit erfahren. Sie müssen mir versprechen, es niemandem zu sagen.”
Lijah rieb sich nachdenklich das Kinn. “Für einen Jungen in deinem Alter trägst du eine schwere Last auf deinen Schultern.”
“Aber geht es nicht genau darum? Um mein Alter?” brach es aus ihm heraus. “Ich
musste
die Schuld auf mich nehmen, denn, weil ich minderjährig bin, ist die Strafe geringer ausgefallen. Mein Vater hätte sich kein höheres Bußgeld leisten können. Es ist schon schwierig genug für uns, die 1800 Dollar Strafe aufzubringen. Und ins Gefängnis hätte er auf keinen Fall gehen können! Was hätte dann meine Mutter tun sollen? Mit fünf Kindern. Ich bin der Älteste und muss mich um meine Geschwister kümmern.”
Lijahs
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