Dem Killer auf der Fährte
mit Kimi als Siegerin hervorzugehen, hätte ich nicht nur in ihren Augen meine Position in der Rudelhierarchie verloren.
»Rowdy, Sitz!«, befahl ich ihm mit derselben ruhigen Stimme, mit der ich immer zu ihm spreche. Er gehorchte. »Guter Junge. Bleib da!«
Kimi hatte einen entscheidenden Fehler begangen, indem sie ein großes Beutestück in eine kleine Höhle gezerrt hatte. Eine Ecke des Kartons ragte ein paar Zentimeter aus ihrem Schlupfwinkel hervor. »Kimi, das gehört mir«, sagte ich zu ihr und versuchte, dabei ganz sachlich zu klingen. Dann bückte ich mich, packte den Karton mit beiden Händen und zog mit einem festen Ruck daran, so daß ich ihn fast ganz herausbekam. Und weil Kimi, genau wie ich es vorausgesehen hatte, hinter dem Bett festgekeilt war, konnte sie nicht schnell genug reagieren und sich das Teil zurückschnappen. Obwohl ich versucht war, den Karton aus ihrer Reichweite zu bringen, bevor sie sich aus ihrer Lage befreit hatte, blieb ich damit vor dem Bett stehen und schaute ihr zu, wie sie sich dahinter hervorwand. Und so sah sie mich dann mit meinem Eigentum in der Hand. Auch Rowdy hat es gesehen. Ich war also immer noch der Boß, jedenfalls vorläufig.
Seit Steve Delaney die Praxis des alten Dr. Draper übernommen hatte, hat sich die Zahl der Patienten verdoppelt, und ungefähr drei Viertel der neuen Klienten waren Frauen, ein Phänomen, das Steve ebensowenig verstehen konnte, wie den plötzlichen Anstieg trivialer, psychosomatischer Beschwerden bei den Patienten, die er von Dr. Draper geerbt hatte. Vielleicht ist psychosomatisch allerdings der falsche Begriff, denn bei dem Psychischen geht es um die Menschen und beim Somatischen um die Tiere.
»Warum will mich jemand dafür bezahlen, daß ich die Krallen einer Katze schneide?« fragte er mich verständnislos. »Ich habe ihr gezeigt, wie es gemacht wird, und ich habe gesehen, daß sie es kann. Ich bin doch keine Maniküre. Und dann gibt es da noch diese Verrückte, die ständig will, daß ich bei ihrer Boxerhündin einen Schwangerschaftstest mache, dabei habe ich sie letztes Jahr sterilisiert.«
Steves dichtes Haar ist braun und leicht gewellt, wie das Fell auf der Schulter und am Hals eines Chesapeake Bay Retrievers. Seine Augen sind so grün, wie die eines Sibirischen Huskies blau sind und strahlen mindestens genauso intensiv wie diese.
»Sie tun das nicht bewußt«, erklärte ich ihm. »Sie verspüren bloß das Verlangen, in deiner Nähe zu sein.«
»So, wie du das sagst, komme ich mir vor wie ein obskures Objekt der Begierde«, protestierte er. »Es ist entwürdigend. Ich hasse das.«
»Na, dann weißt du ja jetzt, wie das ist«, gab ich zurück.
Bevor ich Kimi bekam, hatten wir uns sehr oft gesehen, und es hatte nie wirkliche Probleme gegeben. Rowdy und die zwei Hündinnen von Steve, India, der Schäferhund, und Lady, der Pointer, kamen gut miteinander aus, jedenfalls solange wir sie getrennt fütterten, und, aus Fairneß gegenüber Rowdy, auch keinen anderen Hund in unserem Schlafzimmer übernachten ließen, wenngleich immer er derjenige war, der darüber heulte. Kimi war immer noch wild und ungebärdig. Ich arbeitete fast ausschließlich daran, ihr beizubringen, auf mich zu hören und hatte gerade mit dem Üben von Sitzen und Bei-Fuß-Gehen begonnen. Inzwischen hatten sie und Rowdy sich immerhin ansatzweise aneinander gewöhnt, wenigstens, wenn es nicht gerade um das Futter ging. Aber India oder Lady gegenüber benahm sie sich einfach scheußlich. Sie sprang die beiden Hündinnen knurrend und zähnefletschend an, versetzte damit India in Rage und Lady, die sich heulend hinter Steve versteckte, in Angst und Schrecken.
»Warum zum Teufel läßt er die Hunde nicht einfach zu Hause?« fragte Rita, als ich ihr von dem Problem erzählte.
»India würde es nicht verstehen, und Lady braucht ihn.«
»Und du nicht?«
»Nein. Jedenfalls nicht so sehr wie India und Lady.«
Trotzdem kam er gegen neun Uhr ohne seine Hunde, kurz nachdem ich Kimi den Pizzakarton weggenommen hatte, und wir konnten endlich einmal länger miteinander reden, als das am Telefon oder mit vier Hunden um uns herum möglich gewesen wäre.
»Also«, sagte ich, als wir auf dem Wohnzimmerfußboden saßen - ich hatte immer noch keinen passenden Kaminvorleger gefunden, aber die Birkenstämme aus Maine gaben ein prächtiges Feuer - »es gibt also kein Geheimnis um Kimi, und falls sie einen Nachbarn oder sonst jemanden geärgert hat, war es nicht mehr als jeder
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