Dem Killer auf der Fährte
Bedeutung und Liebe, ganz zu schweigen von Eintracht, Proportion, Ordnung und Harmonie. Marmor und Bronze sind kalt, und man darf sie wahrscheinlich nicht einmal berühren. Bilder sind statisch, und sie lecken einem auch nicht übers Gesicht. Und außerdem weiß man in einem Museum immer schon, wer gewonnen hat. Was ist Schönheit? Ordnung. Die Sporthundegruppe, die Turnierhundegruppe, die Schutzhundegruppe, die Hütehundegruppe, die Jagdhundegruppe und die Haushundegruppe. Proportion? Man betrachte die Bestplazierten in der Hundeschau. Ausgewogenheit? Zucht und Ausbildung. Kontrast? In Größe, Form, Farbe und Herkunft: Irische Wolfshunde, Scottish Terrier, Italienische Spioni, Collies. Eintracht? Die Eintracht ist überhaupt das Schönste dabei: Kuvasoks, Dobermanns, Irish Spaniel, Basenjis, King Charles Spaniel, Akitas, Malteser, Belgische Malinois, Dalmatiner, Tibet Terrier... Ob riesig, winzig, laut, ruhig, haarlos oder buschig, es sind alles Hunde. Wenn die Welt um einen herum wieder einmal schrecklich häßlich aussieht, sollte man nicht in einer Grabstätte nach Schönheit suchen, sondern zur größten multimedialen und multisensorischen Kunstausstellung der Welt gehen: zu einer Hundeschau.
Kimi war von soviel Schönheit überwältigt, und obwohl es nicht die erste Schau für Rowdy war, hatte sich sein Sinn für Ästhetik keineswegs abgestumpft, so daß er jede dieser Veranstaltungen aufs neue genoß. Und aus dem Grund waren wir natürlich da: um meine Ästheten in Pragmatiker umzuwandeln. Man muß die Hunde zu so vielen Schauen mitnehmen, daß sie mit der Zeit lernen, all die Schönheit zu ignorieren und damit anfangen, sich auf das praktische Geschäft der guten Ergebnisse bei den Wettkämpfen zu konzentrieren.
Und wieder manifestierte sich die Schönheit in Form eines wohlgefüllten Messestandes mit den Produkten einer namhaften Firma für die Herstellung von Katzenfutter, Hundekuchen und Hundefutter aller Art. Kimi schnüffelte an einer der großen Tüten mit Eukanuba, die vor dem Stand aufgereiht waren, aber Rowdy, ganz der anspruchsvolle Gourmet, zeigte sich fasziniert von einer Pyramide aus Kostproben, die in Malamute-Schnauzen-Höhe auf einem der Tische aufgestapelt war. Ich hatte gerade ein langes und interessantes Gespräch mit einem der Firmenvertreter über Ethoxyquin beendet (und eine Broschüre über dieses äußerst umstrittene Konservierungsmittel sowie einige Probepackungen kalorienverminderten Hundefutters eingesteckt), als ich Joel und Kelly Baker bemerkte, die sich am benachbarten Stand der »Science Diet« ein paar Probierhappen mitgeben ließen.
Kelly trug einen handgestrickten irischen Pullover, der aussah wie der, den ich im Katalog von L. L. Bean so bewundert, aber nicht gekauft hatte, weil er zu teuer war. Statt dessen hatte ich mir ein Lexikon der seltenen Hunderassen, zwei Bücher über Gehorsams-Training, eines über Hundegenetik, ein Handbuch für die Hundepflege, vier Liter Hundeshampoo, Zahnseide für Hunde und einen Hundeknochen mit Schinkenduft bestellt; und es war sogar noch etwas Geld übrig. Ich habe diese Wahl auch nicht bereut, jedenfalls bis ich Kelly in dem Pullover sah.
»Hallo«, begrüßte ich die beiden. »Wie geht's?«
Bei der Frage konnte ich nichts falsch machen, denn Joel und Kelly hatten diese entspannten und zufriedenen Gesichter, die die Halter immer aufsetzen, wenn ihre Hunde gut abgeschnitten haben. Für jemanden, der noch nie auf einer Hundeschau war, muß ich allerdings noch hinzufügen, daß ich meine Frage eher brüllte, um mir bei dem allgemeinen Treiben um uns herum Gehör zu verschaffen. Jede Schau erzeugt natürlich einen gigantischen Lärm, der aber hauptsächlich menschengemacht ist: Die Lautsprecher dröhnen ständig mit irgendwelchen Informationen, die Leute plappern unablässig, und die meisten Hunde sind ziemlich still.
»Tuck hat einen BOS gemacht«, verkündete Kelly. BOS ist die Abkürzung für Best of Opposite Sex, also »Bester des anderen Geschlechts«. Wenn der erste Platz einer Zuchtauswahl an einen Rüden geht, erhält eine Hündin den Titel BOS und umgekehrt.
»Gratuliere. Das ist großartig«, sagte ich zu beiden und fügte dann, zu Joel gewandt, hinzu: »Sie führen sie selbst vor, nicht wahr?«
Joel nickte. Er trug das perfekte Outfit für einen Hunde-Wettkampf - einen feinen Wollanzug in einem rötlichen Ridgeback-Beige, ein wollweißes Hemd und eine braune Krawatte - aber im Gegensatz zu den meisten Hundehaltern war er
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