Dem Killer auf der Fährte
sehr wohlwollende Interpretation«, meinte Rita.
»Ich glaube aber, daß es so etwas war. Das ist natürlich immer noch ziemlich krank, aber ist es denn überhaupt möglich, daß sie erst dann aufgehört hat, an sich herumzumachen, nachdem sie statt dessen Kimi dazu benutzte? Ich meine, rein theoretisch: gibt es Leute, die so etwas tun?«
»Du meinst, ein Fall von Übertragung? Das ist durchaus möglich, obwohl es mir persönlich noch nicht untergekommen ist. Aber ich kann dir noch etwas sagen, was dir vielleicht hilft: Ein Symptom wie dieses bedeutet niemals nur eine Sache, und es dient nie nur einer Funktion. Freud sagt auch, daß jedes Symptom ein Kompromiß ist, sozusagen der äußerste Kompromiß, den ein Mensch eingehen kann. Kannst du damit was anfangen?«
»Du meinst, daß es vielleicht beides war: Indem sie das mit Kimi macht, ist es so, als würde sie es sich einerseits selbst antun und gleichzeitig einer Art Stofftier?«
»Möglicherweise. Aber ich muß sagen, daß ich mir mehr Sorgen wegen Joel Baker mache. Ich war diejenige, die Donna zu Joel geschickt hat, und ich muß die ganze Zeit daran denken, daß ich damit auch diejenige war, die ihn in Schwierigkeiten gebracht hat. Ich frage mich, wie viele Leute wohl von der Geschichte wissen.«
»Sarah hat erzählt, daß Donna nicht viele Freunde hatte. Und wir wissen jetzt auch, warum. Also kannte sie wahrscheinlich nicht allzu viele Leute, denen sie es hätte erzählen können. Und du hast es nie richtig geglaubt, nicht wahr?«
»Ich war im Zweifel. Ich würde gern sagen können, daß ich es nicht geglaubt habe, aber ich war unsicher. Weißt du, so ein Gerücht ist wie eine ansteckende Krankheit. Wenn man sie einmal hat, geht sie nicht so einfach wieder weg. Und wenn du einmal gehört hast, daß ein Therapeut mit seinen Klientinnen geschlafen hat oder mit einer von ihnen, beeinflußt es dein Denken und dein Urteil. Ich habe immer noch Zweifel.«
»Glaubst du wirklich, daß er...?«
»Nein. Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich glaube, daß er es wahrscheinlich nicht getan hat. Ich denke, ich kenne ihn gut genug, um das sagen zu können. Und es wäre sogar statistisch gesehen ziemlich unwahrscheinlich. Er ist Psychologe. Ich meine, darum ist unsere Haftpflichtversicherung gegen Fehlbehandlung schließlich so billig. Meine kostet zum Beispiel nur dreihundertfünfzig Dollar im Jahr, während sie für Psychiater wesentlich teurer ist. Psychologen werden einfach nicht so oft verklagt, jedenfalls nicht so häufig wie Arzte oder Psychiater. Aber trotzdem habe ich immer noch Zweifel und Mißtrauen. Man muß also nur ein paar Leute wie mich dazu bringen, unsicher zu werden und ihm keine Patienten mehr zu schicken, und das war's dann für ihn.«
»Weißt du, was ich nicht begreife? Warum hat Elaine ihr so vorbehaltlos geglaubt?«
»Woher hätte Elaine es besser wissen sollen? Therapeuten haben normalerweise nicht die Gelegenheit, die Freunde und Bekannten ihrer Klienten ins Kreuzverhör zu nehmen. Wir arbeiten mit den Klienten, nicht mit ihren Freunden.«
»Und wie erfährt man dann jemals die Wahrheit? Ich meine, als Therapeut kennt man doch immer nur die Version der Klienten.«
»Das ist genau die Wahrheit, die wir herausfinden wollen. Wir sind keine Detektive in dem Sinne, daß wir nach einer sogenannten objektiven Realität suchen.«
»Aber was ist, wenn der Klient oder die Klientin wirklich völlig daneben ist?«
»Nach wessen Kriterien?«
»Nach den allgemeinen Kriterien.«
»Nach den Kriterien einer Menge Leute ist deine Wirklichkeit aber auch ziemlich daneben. Im Leben der meisten Menschen sind Hunde nämlich nicht gerade der wichtigste Teil.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Und das ist eben der Grund, warum du statt in eine Therapie zu gehen, Hunde ausbildest, weil dieser Hundetick kein Problem für dich ist, oder es ist sozusagen eine erfolgreiche Verarbeitung des Problems. Es ist befriedigend für dich, und es macht dir Spaß. Die Leute, die zu einer Therapie kommen, können ihr Problem aber nicht so verarbeiten, daß es funktioniert. Oder sie kommen, wenn sie mit ihren Bemühungen auf einen völlig falschen Weg geraten sind, oder einen Rückschlag hatten, oder wenn sie von der Realität der Menschen in ihrer Umgebung derart abweichen, daß es sie in Schwierigkeiten bringt.«
»Ich hätte gedacht...«
»Daß die Anschaffung eines Hundes jedes Problem lösen würde?«
»Nun ja, sie hat schließlich damit aufgehört, sich selbst zu
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