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Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Ausführungen über Frederik B. fort, dann berichtet er über Andreas H. Sein Gutachten dauert viele Stunden, aber wirklich erhellen kann er die Gründe für die Morde nicht.
    Andreas H. habe sich nicht ständig unterordnen wollen. Sein Vater sei der »Fürst« der Familie gewesen. Zuerst habe er deshalb sich selbst gehasst, aber irgendwann sei dieser Selbsthass dann in Hass auf den Verursacher umgeschlagen. Der Proband habe sich allein gefühlt, sagt der Gutachter dem Landgericht. Alle seien gegen ihn gewesen. Niemand habe zu ihm gehalten. Er sei der Einzige gewesen, der den cholerischen Vater zur Rede gestellt habe und daraufhin hätten ihm die anderen Familienmitglieder vorgeworfen, den Familienfrieden zu zerstören.
    Andreas’ Hass habe sich nur gegen den Vater gerichtet. Schwestern und Mutter mussten sterben, weil sie ihn sonst verraten hätten.
    Eine abschließende Beurteilung will Dr. W. erst am nächsten Verhandlungstag abgeben. Er lässt aber durchblicken, dass er dem Angeklagten nicht alles abgenommen hat, was dieser ihm erzählte: »Was ist Inszenierung, was ist Theaterdonner?« Man müsse vorsichtig sein. Viele Zeugen haben über Probleme in der Familie berichtet, »aber eigentlich sind das 08-15-Konflikte gewesen«.
    Zudem weiß der Sachverständige, zu welch »monströser Schauspielerei« der Angeklagte fähig ist: Jeder hat Andreas H. am Karfreitag-Vormittag das Opfer abgenommen, den am Boden zerstörten Sohn, der soeben die ganze Familie erschossen aufgefunden hat.
    Andreas H. selbst findet, man müsse Nachsicht mit ihm haben. Dem Psychiater gegenüber äußert er: »Ein hartes Urteil würde niemandem nützen« und , dass er den Wunsch habe »irgendwann ein normales und geregeltes Leben zu führen«.
    Nach Auffassung des Sachverständigen sind beide Angeklagte voll schuldfähig. Eine Empfehlung, ob nun Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden sei, will er dennoch nicht abgeben. Das Asperger-Syndrom, das W. bei Frederik diagnostiziert haben will, führe jedenfalls nicht zu einer verminderten Schuldfähigkeit.
    Der Gutachter scheint sich selbst nicht sicher zu sein. Mal spricht er von einem »Tyrannenmord«, dann wieder von »Mord aus Freundschaft«, von einer »narzisstischen Mordlust«, auch von »Habgier« ist die Rede. Es könne sich aber auch einfach nur um ein »Morden aus Langeweile« gehandelt haben. Sich selbst widersprechend äußert er zu einem anderen Zeitpunkt: »Dies (die Abfolge der Morde, d. Vf.) weist auf eine Selbstbeherrschung der Täter hin, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.«
    Letztendlich erklärt er: »Die Frage nach dem Tatmotiv ist für mich komplett offen geblieben.« Wenn Frederik aus Freundschaft zu Andreas gemordet habe, liege das Motiv im familiären Bereich und in dem Fall würde er die Anwendung von Jugendstrafrecht empfehlen. Sollte aber Habgier das Motiv für die Morde gewesen sein, dann müsse man Erwachsenenstrafrecht anwenden.
    Trotz des 127-seitigen Gutachtens sind also die Aussagen des Sachverständigen nicht besonders hilfreich für das Gericht.
    Weitere vier Prozesstage folgen in der Woche vom 22. März bis 26. März. Die Geduld von Richtern und Staatsanwaltschaft wird erneut auf eine harte Probe gestellt. Noch einmal wird der psychiatrische Sachverständige gehört. Auch die beiden Vertreter der Jugendgerichtshilfe nehmen Stellung. Sie empfehlen Jugendstrafrecht, weisen jedoch deutlich darauf hin, dass in der zu erwartenden Haft sozial- und psychotherapeutische Maßnahmen ergriffen werden sollten.
    Der Verteidiger von Andreas H. stellt den Antrag, Gutachter Dr. Peter W. als befangen abzulehnen. Die Oberstaatsanwältin sieht darin eine »Verschleppungsabsicht«. Auch Frederiks Anwalt hat einen Antrag gestellt: Er möchte einen neuen Gutachter, einen Experten für Jugendliche. Andreas’ Verteidiger schließt sich an.
    Das Gericht lehnt die Anträge ab. In einem Zivilgerichtsverfahren, das Verwandte des ermordeten Vaters geführt haben, wird Andreas H. zeitgleich für erbunwürdig erklärt.
    Am nächsten Prozesstag hat H.s Anwalt etwas Neues gefunden: Es bestehe die Möglichkeit, dass Andreas H. eine schizoide Persönlichkeitsstörung habe und somit in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden müsse. Daher benötige er unbedingt die Begutachtung durch einen Kinder- und Jugendpsychiater.
    Zwei Stunden lang liest er ein 48 Seiten umfassendes Schriftstück vor, in dem er ausführlich begründet, warum Dr. W. als Erwachsenenpsychiater

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