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Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Das mit der Depression ist doch Quatsch«, soll sie gesagt haben – so erzählt es jetzt zumindest Andreas. Die Befragung zu seiner Biografie erfolgt unter Ausschluss der Presse. Und so erfährt man im Nachhinein nur, dass Andreas das Verhältnis zu seinem Vater konfliktbelastet sah. Er habe sich als Außenseiter gefühlt. Die wichtigsten Personen in seinem Leben seien für ihn Frederik B. und die Mutter gewesen.
    Wie kann es sein, dass Andreas H. seine Familie so sehr liebt, dass er ihnen schreibt »I love U all«, dass er seine Mutter als wichtigste Person ansieht, und wenige Wochen später auf einmal so sehr hasst, dass er sie alle umbringt? Ist der Brief Kalkül? Versucht er den Eindruck des eiskalten, habgierigen Killers zu schönen, der im Verlaufe des Prozesses entstanden ist? War Andreas H. wirklich der unterdrückte, gedemütigte Junge, als der er sich im Prozess immer wieder darstellt?
    Auch die Pfarrerin Kathinka K. ist für heute geladen – angeblich hat auch sie Informationen über Familie H. Der Rechtsanwalt von Andreas hat die Zeugin bestellt. Kathinka K. erscheint jedoch nicht. Der Oberkirchenrat gestattet es nicht. Ein Pressesprecher der Evangelischen Landeskirche erklärt, das hänge mit dem Seelsorgeheimnis zusammen. Zudem gebe es auch ein Dienstgeheimnis, ähnlich wie im Beamtenrecht. Eine Entscheidung über dessen Aufhebung treffe die Rechtsabteilung im Oberkirchenrat. Die Pfarrerin, die vorab schon im Fernsehen über den Fall gesprochen hat, sagt dazu: »Mir wäre lieber, nicht vor Gericht erscheinen zu müssen.«
    Andreas Verteidiger ist sich inzwischen selbst nicht mehr sicher, ob er auf der Zeugin bestehen soll. Er will seinen eigenen Beweisantrag »prüfen«. Der Vorsitzende Richter kommentiert ironisch: »Und dann kommen noch die restlichen Bewohner von Eislingen und Umgebung dran.«
    Zeugen um Zeugen treten vor Gericht auf. Die Verteidiger laden ein und präsentieren. Insbesondere soll es darum gehen, die familiären Verhältnisse im Hause H. klarzumachen; zu zeigen, dass Andreas H. gepiesackt und gedemütigt wurde, um das Motiv zu verdeutlichen. Allein für den heutigen Mittwoch hat Andreas H.s Anwalt zwölf Zeugen geladen. Damit hat sich die Gesamtzahl der Zeugen auf nahezu 60 erhöht. Und weitere Vernehmungen stehen aus.
    Doch allmählich reicht es dem Gericht. Bislang hatte der Vorsitzende Richter alle Beweisanträge zugelassen und so bereits über 50 Zeugen befragt, doch nun will er eine härtere Gangart einschlagen.
14. Prozesstag: Dienstag, 23. Februar 2010
Welche Temperatur brauchen die Knochen?
    Zum 14. Mal wird die 6. Große Jugendkammer des Landgerichts Ulm heute zusammenkommen, um über den Vierfachmord von Eislingen zu verhandeln und allmählich ist ein Ende abzusehen. Heute sollen die voraussichtlich letzten Zeugen gehört werden. Die Eislinger Pfarrerin Kathinka K. darf nun doch aussagen, für sie liegt nunmehr eine »eingeschränkte Aussagegenehmigung« vor, die unter dem Vorbehalt erteilt wurde, dass das Seelsorgegeheimnnis nicht berührt werden darf. Erhellendes hat sie jedoch nicht beizutragen, sie beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
    Noch einmal hat das Gericht den Leiter der Sonderkommission »Familie« geladen. Er berichtet ausführlich über das Erddepot im Wald; Fotos der Dinge, die dort versteckt waren, werden gezeigt. Darunter auch die von Frederik verfasste Wunschliste, die er im Hinblick auf das zu erwartende Erbe seines Freundes geschrieben hat. Unter der Überschrift »Was ich will […]« steht: »Waffen, einen Scharfschützenlehrgang, Fallschirmsprünge, einen großen Fernseher, vernünftige Klamotten, Urlaub« und »ein Auto.« Außerdem hat Frederik formuliert, dass er von zu Hause weg will.
    Die Liste unterstreicht nachdrücklich das Motiv Habgier, das die Staatsanwaltschaft für die Morde annimmt. In dem Versteck gab es jedoch noch weitere Listen mit drastischeren Inhalten: Nach der »Wunschliste« verliest das Gericht nun eine Liste zu »Verletzungen«.
    »Andreas: aufgesetzter Schuss in Oberarm mit schwächerer Munition«, ist darauf vermerkt und dann die Namen der vier Opfer, dahinter: »Oberkörper und Kopf«. Exakt an den genannten Stellen waren die Geschosse in den Leichen gefunden worden.
    Ein nächster Zettel enthält Notizen zur Vernichtung von Leichen. »Welche Temperatur brauchen die Knochen?« hat Frederik hier geschrieben, zudem gibt es Hinweise über die Wirkung von Säuren. Das habe nichts mit der konkreten Tat zu tun,

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