Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
Vom Netzwerk:
nicht geeignet gewesen sei, seinen Mandanten zu begutachten.
    Doch die ganze Verzögerungstaktik zieht nicht mehr. Das Gericht lehnt den Antrag ab.
    Am 25. März beginnen die Plädoyers.
    Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten Andreas H. Der 19-Jährige soll für den Mord an seiner Familie nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Zudem liege eine besondere Schwere der Schuld vor, so die Staatsanwältin. Das ist ein außergewöhnlich hohes Strafmaß, fast schon hat es Symbolcharakter. »Es ist kaltblütig, die eigene Familie wohlüberlegt zu erschießen, das monatelang vorzubereiten, den Eltern noch einmal unter die Augen zu treten, unmittelbar bevor sie dann erschossen werden. Also ich denke, kaltblütig ist das richtige Wort dafür«, so hören die Anwesenden im Gerichtssaal.
    Die Staatsanwältin begründet, Andreas H. sei der eigene Vater »lästig« gewesen. Zudem habe er die Tat aus Habgier begangen und weil er das gesamte Geld für sich wollte, hätten auch die Mutter und die beiden Schwestern sterben müssen. Deshalb müsse er wie ein Erwachsener verurteilt werden. Für Frederik B. fordert die Staatsanwaltschaft eine Jugendstrafe von zehn Jahren. Er habe aus Freundschaft zu Andreas gehandelt.
    »Es wird im Leben immer wieder Personen geben, die einem lästig sind, die einem im Weg stehen«, begründet die Staatsanwältin ihren Antrag. Den Mordplan habe H. gefasst, als er die Vollmacht für das Konto in der Schweiz bekam. Dieses Geld konnte er nur erben, wenn die anderen sterben.
    Die Staatsanwältin wirft beiden Angeklagten vor, geschossen zu haben. Genau dies habe Frederik B. zunächst auch bei der Polizei gestanden; er sagte aus, Andreas H., habe die Schwestern und den Vater allein erschossen und er selbst habe nur auf die Mutter gefeuert. »Dass nur Frederik B. geschossen hat, halte ich für ausgeschlossen«, sagt sie. Und auch dass Frederik gestanden hat, will sie nicht als strafmildernd werten. Frederik B. hat nach Überzeugung der Anklage seinem Freund beistehen wollen: »Er hatte die Vorstellung, ein Band ewiger Freundschaft schmieden zu können.« Eigentlich reiche die Jugendstrafe von zehn Jahren angesichts der schwerwiegenden Tat nicht aus. Doch dies sei die Höchstgrenze, die der Gesetzgeber bei Jugendlichen vorsehe. Und sie fügt hinzu: »Ich bedaure das in diesem Fall.« Auch der Anwalt der Nebenkläger, der eine Schwester von Hansjürgen H. vertritt, schließt sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an.
    Andreas H. und Frederik B. hören ohne Regung zu.
    Die beiden Verteidiger fordern Jugendstrafen, ohne ein konkretes Strafmaß zu nennen. Andreas H. sei keineswegs so »reif«, wie ihn Zeugen beschrieben hätten, sagt sein Anwalt vor Gericht. Er spricht fast zwei Stunden, versucht die Kammer zu überzeugen, dass nicht Geldgier hinter den Taten gesteckt habe, das Motiv Habgier weist er strikt zurück, stellt stattdessen die »psychische Gewalt« in der Familie in den Vordergrund. Sein Mandant sei keineswegs immer der gut gelaunte Sonnyboy gewesen, sondern ein eher depressiver junger Mann.
    Der Verteidiger von Frederik B. fordert dagegen das Gericht auf, das Geständnis seines Mandanten angemessen zu würdigen und begründet dies mit den Worten: »Ohne Frederiks frühes Geständnis wissen wir nicht, ob Andreas jemals ein Wort gesagt hätte. Und ohne den Hinweis auf das Walddepot wäre die Beweislage äußerst dünn gewesen.«
    Auch die beiden Angeklagten kommen noch einmal zu Wort. Andreas H. spricht mit stockender Stimme. »Ich hatte fast ein Jahr Zeit, mir zu überlegen, was ich sage«, beginnt er seine kurze Rede. »Ich weiß, ich habe sehr viele Menschen enttäuscht und sehr stark verletzt. Ich hatte eigentlich nie vor, jemanden für meine Zwecke auszunutzen und zu missbrauchen. Aber wenn man das alles nochmal von anderen vorgehalten bekommt, ändert sich die Sichtweise natürlich.« Seine Sichtweise hat sich also geändert, weil man ihm Vorhaltungen gemacht hat – von allein scheint Andreas H. nicht darauf gekommen zu sein, jedenfalls lassen seine Worte darauf schließen.
    Am Ende entschuldigt er sich auch bei seinem Freund Frederik: »Ich muss sagen, dass es mir leid tut, so viele Leben verändert, geändert oder Eingriff darauf genommen zu haben – vor allem auch beim Frederik.«
    Kann man Andreas H. abnehmen, dass er es ehrlich meint? Die Vorgeschichte, die Taten, sein Verhalten während des Prozesses lassen daran bei vielen Beobachtern

Weitere Kostenlose Bücher