Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
beteuert Frederik B. Den Zettel habe er bereits 2007 geschrieben, nachdem er einen Film über den perfekten Mord gesehen habe. Warum aber hat er die Notizen dann so lange aufbewahrt? Und was wollte er mit den Informationen?
Für den kommenden Dienstag ist nun endlich das Gutachten des renommierten psychiatrischen Sachverständigen Dr. Peter W. geplant. Wird es dazu kommen, dass er aussagen kann? Die Verteidiger haben schon wieder zwei neue Beweisanträge eingebracht. Außerdem behalten sie sich vor, neue Gutachter zu bestellen, schließlich sei Dr. W. kein Kinder- und Jugendpsychiater und falls er der Kammer nahelegt, ihre Mandanten nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen, droht diesen eine lebenslange Haftstrafe. Für sie geht es jedoch darum, dass Andreas H. und Frederik B. nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, denn dann beträgt die Höchststrafe lediglich zehn Jahre.
15. Prozesstag: Dienstag, 2. März 2010
»Mängelwesen«
Heute ist es nun soweit. Der psychiatrische Sachverständige wird seine Gutachten abgeben. Er hat die beiden Angeklagten befragt und sie den gesamten Prozess über beobachtet. Dr. Peter W. kündigt an, dass er für seine Ausführungen mehrere Prozesstage benötigen wird. Jedes Gutachten umfasst fast 130 Seiten und mit Sicherheit werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung viele Fragen dazu haben.
Zuerst geht es um Frederik. Versteinert, wie schon den ganzen Prozess über, so als ginge es gar nicht um ihn, sitzt Frederik B. neben seinem Verteidiger, die gefesselten Füße gekreuzt, wie immer starrt er auf die Tischplatte, während der Sachverständige sagt, dass dies in über 1000 Gutachten »die schwierigste Exploration« gewesen sei, die er bisher gemacht habe und dass es ihm nicht gelungen sei, dem Angeklagten nahe zu kommen. »Es war als ob eine gläserne Trennwand zwischen uns stand«, sind seine Worte.
Insgesamt 13 Stunden hat er Frederik B. befragt, hat ihn vor Gericht beobachtet, hat sein Umfeld studiert. Für den Angeklagten sei die seit 2006 währende Freundschaft zu Andreas H. eine »vollkommene Beziehung« gewesen. »Andreas hat mir das Leben erklärt«, habe Frederik gesagt.
Frederik beginnt zu rauchen, weil es sein Freund es ihm rät. Er ändert seinen Kleidungsstil, beginnt damit, Tiere zu quälen. Er initiiert Einbrüche, um Andreas zu gefallen. Zum Schluss schießt er, weil sein Freund dies so möchte. Ist Frederik B. Andreas hörig? Eine homosexuelle Komponente habe es nicht gegeben, streitet Frederik ab. Sie seien hin und wieder Hand in Hand gegangen, eine sexuelle Beziehung habe es jedoch nicht gegeben.
B. habe eine »negative und unterwürfige Selbsteinschätzung«, legt der Gutachter dar. Er sei unsicher, in sich gekehrt und verstockt. Eigenen Äußerungen nach fühlt sich Frederik wie ein »schwer vermittelbares Tier aus dem Tierheim«, ein »Mängelwesen« und gibt an, Selbstmordgedanken zu haben. Frederik hat einen IQ von 102 – guter Durchschnitt. Dumm ist er also nicht. Sagt er dem Gutachter die Wahrheit? Warum hat er die Morde wirklich begangen? Reicht Bewunderung für einen Freund wirklich aus?
Die Gespräche, so Dr. W., seien zäh verlaufen, Frederik habe nur scheibchenweise Informationen herausgerückt und so müsse man hinter alle Aussagen des jungen Mannes ein Fragezeichen setzen.
Auch andere Wesenszüge kommen im Gespräch zum Vorschein. Frederik hat – so berichtet er es dem Psychiater – mit Andreas vereinbart, dass sie sich nicht »gegenseitig verpetzen« würden falls einer von ihnen verhaftet werde und ausgemacht, den anderen aus dem Gefängnis zu befreien, wenn es sein musste, mit Waffengewalt. Am Tatmorgen habe Andreas ihm ein »Drehbuch« wie er sich bei seiner Vernehmung verhalten solle, mitgegeben.
Frederik B. hat dem Psychiater gesagt, er finde sein Leben nicht mehr lebenswert. Ist er selbstmordgefährdet? Sollte er besser nicht in einer Einzelzelle sitzen? Aber ist nicht genau das zu seinem Schutz notwendig?
Ein abschließendes Urteil will der Gutachter erst am nächsten Prozesstag abgeben, aber eine Zusammenfassung hört das Gericht schon heute. Es gibt bei Frederik B. keinerlei Hinweise auf geistige Verwirrtheit, keinen Realitätsverlust, keine psychotischen Störungen, Wahnvorstellungen oder Psychosen. Die diskreten Hinweise auf frühkindliche Hirnschäden, die der Gutachter gefunden haben will, gebe es bei zehn Prozent der Bevölkerung.
16. Prozesstag: Freitag, 12. März 2010
Wieder spricht Dr. Peter W. Zuerst setzt er seine
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