Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Spuren. Den toten Körper schafft er, so sagt er es zumindest aus, in der darauffolgenden Nacht ins Stötteritzer Wäldchen. Sowohl die Polizei als auch die Rechtsmediziner glauben dagegen, dass Michelles Leiche zwei Nächte in der Abstellkammer war, aber die Ermittler können Daniel V. später nicht mehr nach diesem Widerspruch fragen. Der Verteidiger verhindert alle Gespräche mit seinem Mandanten. In der vor Gericht verlesenen Erklärung heißt es dazu lediglich: »Am folgenden Tag, am Dienstag, hat Daniel den Sack mit der Leiche noch einmal in die Wohnung verbracht und dort geöffnet. […] Blut tropfte auf den Teppich im Flur. […] Da der Hubschrauber über die Wohnung kreiste, wurde er nervös.«
Trotz seiner angeblichen Nervosität begibt sich Daniel V. an diesem Nachmittag jedoch erst einmal wie gewohnt zu seinem Hockeytraining. Niemandem fällt etwas Ungewöhnliches an seinem Verhalten auf.
In der Nacht zum Mittwoch bringt Daniel V. dann die Kinderleiche fort – nach seinen Angaben noch immer verpackt in dem großen Plastikmüllsack. Weil ihm die Leiche beim Transport »zu schwer wurde«, zieht er den Sack, der irgendwann unterwegs aufreißt, hinter sich her. Michells Kopf schleift über die Unebenheiten des Bodens, sie verliert Haarbüschel. Niemand beobachtet den Mörder bei der Beseitigung der Leiche.
Daniel V. kann nun wieder seinem normalen Tagesablauf nachgehen. In seinem Umfeld bemerkt niemand, was er getan hat, niemand schöpft Verdacht, alles verläuft scheinbar in geordneten Bahnen.
Hätte der Mörder sich auch gestellt, wenn es keinen Massengentest gegeben hätte? Wenn die Polizei sich nicht für den Nachmittag des 8. März’ 2009 zur Speichelprobe bei ihm angemeldet hätte?
Geständni s
Am Mittag des 8. März’ 2009 sitzt Daniel V. bei der Polizei. Er berichtet, ein Unbekannter, ein »schwarzer Mann«, habe ihm im August des Vorjahres aus seinem Auto einen Plastiksack übergeben und ihn gebeten, diesen zu entsorgen. Er habe den Sack daraufhin geöffnet und darin das tote Mädchen entdeckt. Warum er nicht die Polizei informierte, sondern stattdessen die Leiche in den Entenweiher im Stötteritzer Wäldchen brachte, kann Daniel V. nicht erklären.
Während der mutmaßliche Mörder befragt wird, beginnt die Polizei damit, die Wohnung, in der Daniel V. gemeinsam mit seiner Mutter wohnt, zu untersuchen. Penibel wird ein Raum nach dem anderen durchsucht, werden Spuren ermittelt, Möbelstücke zur Untersuchung gebracht. Der Verdächtige hat die Tat bis jetzt noch nicht gestanden.
Die erste Vernehmung dauert bis in die Abendstunden. Die Beamten glauben die Geschichte vom »schwarzen Mann« nicht und befragen Daniel V. erneut zum Tathergang. Daniel V. schluchzt und weint, dann fängt er sich schnell wieder. Erst nach Stunden, nachdem er sich mehr und mehr in Widersprüche verstrickt hat, nachdem ihm immer wieder Beweise vorgehalten werden, die seine Version widerlegen, kommt die ganze Wahrheit ans Licht und Daniel V. gesteht. Danach wirkt er sichtlich gelöst und entspannt. Nach seinem Geständnis ist ihm sogar nach Scherzen. Auf dem Rückweg von der Toilette fällt ihm das Fahndungsplakat mit der Belohnung von 10000 Euro auf. Launig merkt er an, dass die Beamten dies ja nun nicht mehr bräuchten. Oder ob er nun das Geld bekomme? Er selbst sieht die Äußerung als »Spaß«.
Am darauf folgenden Montag, dem 9. März, wird Haftbefehl gegen ihn erlassen. Daniel V. kommt in Untersuchungshaft.
Zur Erleichterung über die Festnahme gesellt sich der Schock: Der Täter stammt tatsächlich aus dem direkten Umfeld des Kindes, wie es die Eltern von Anfang an gemutmaßt haben. Michelles Lehrer kannten ihn, das Opfer selbst kannte ihn. Er hat mit Kindern gearbeitet, er hat ein Praktikum in Michelles Grundschule absolviert, später werden sich Leute melden, die aussagen, Daniel V. habe bei seiner Tätigkeit Kinder im Kindergarten »begrabscht«.
Im Mai 2006 absolviert Michelles Mörder ein Praktikum in der Kindertagesstätte »Tausendfüßler«, in einer Kita, die nur wenige 100 Meter von seiner Wohnung entfernt liegt. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die »Betreuung von Kindern im Kindergarten«. In der Praktikumseinschätzung wird ihm bescheinigt, dass er den ihm übertragenen Aufgaben nur »eingeschränkt gerecht« wurde. Für sein Verhalten bekommt er lediglich ein »befriedigend«, für das Auftreten nur »ausreichend«. Zeugen sagen später, dass es, nachdem sich Eltern über sein Verhalten
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