Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
sucht die Polizei nach Zeugen der Tat. Auch die Vielzahl der Spuren aus dem Schulkeller hat bislang nicht den erhofften Durchbruch gebracht. Es gibt keine weiteren Anhaltspunkte, dass das Mädchen in den Kellerräumen des Gymnasiums war. Noch immer ist unklar, wo sich der eigentliche Tatort befindet, von Michelles Tasche und Jacke fehlt weiterhin jede Spur.
Auch der Zeuge, dessen Phantombild in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY gezeigt worden war, wird nicht gefunden.
Bis Dezember 2008 werden 4 500 kriminaltechnische Spuren gesichert und zu großen Teilen begutachtet.
Die Polizei kündigt an, sie werde die Suche dem Mörder des Mädchens und nach Zeugen weiter mit 75 Beamten fortsetzen.
Böse Erinnerungen werden wac h
Der 4. Januar 2009 ist ein sehr kalter Tag. Die Temperatur steigt auch in den Mittagsstunden nicht über minus sechs Grad an, es wird zeitig dunkel, die Menschen sehnen sich nach dem Frühling, auf den sie in diesem Jahr noch bis in den April hinein warten müssen.
Gegen 18:40 Uhr geht ein Mädchen durch Leipzig-Stötteritz, als an einer Kreuzung neben ihr ein Auto hält. Der Vorfall ereignet sich nur wenige 100 Meter von der Stelle entfernt, an der Michelles Leiche gefunden wurde. Der Mann am Steuer spricht die 13-Jährige an, fragt nach dem Weg ins nahegelegene Grimma.
Als sie nicht reagiert, sondern weitergehen will, steigt er aus, bedrängt sie und versucht sie in sein Auto zu zerren. Er hält ihr den Mund zu und zieht sie auf den Beifahrersitz seines Wagens. Doch das Mädchen wehrt sich mit Händen und Füßen, es gelingt ihr, die Tür aufzureißen und zu fliehen. Der Fremde fährt hastig davon.
Die 13-Jährige läuft in die angrenzende Kleingartenanlage, wo sie sich versteckt und mit dem Handy ihre Eltern anruft. Daraufhin informieren die Eltern die Polizei.
Ist der Mann im Auto Michelles Mörder auf der Suche nach einem neuen Opfer? Oder handelt es sich um einen Nachahmer? In Stötteritz mit seinen rund 11000 Einwohnern macht sich Angst breit.
Die Polizei hält die Aussagen des Mädchens für glaubhaft und nimmt sie ernst. Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben, sagen übereinstimmend mit dem Mädchen aus, dass es sich bei dem Mann um einen etwa 40- bis 50-Jährigen gehandelt habe, der verlebt ausgesehen habe, insgesamt ungepflegt wirkte und dialektfrei deutsch sprach. Man versucht, nach den Angaben ein Phantombild des Mannes zu erstellen. Fotos möglicher Verdächtiger werden dem Mädchen gezeigt.
Parallelen zwischen beiden Fällen sieht die Leipziger Polizei laut Angaben eines Polizeisprechers nicht. Im zweiten Fall gäbe es keine Hinweise auf eine sexuelle Motivation. Und für Michelles Mörder fehle jegliche Personenbeschreibung. DNA-Spuren konnten im zweiten Fall nicht gesichert werden, da der Täter das Mädchen nur an der Jacke berührt habe. Auffallend sei lediglich die Übereinstimmung der rotblonden Haarfarbe beider Mädchen.
Ermittler beginnen wieder damit, Anwohner zu befragen. Der genaue Tathergang wird vor Ort geprüft und nachgestellt. Letztendlich informiert die Polizei, dass es keine Hinweise gäbe, dass Michelles Mörder sich ein neues Opfer suche.
Es wird noch zwei Monate dauern, bis Michelles Mörder gefunden ist. Der Mann, der das 13-jährige Mädchen in sein Auto zerren wollte, ist es nicht.
Letzter Ausweg – Speicheltes t
Als alle Ermittlungen im Sande verlaufen und die Polizei nach sieben Monaten den Täter noch immer nicht gefasst hat, greifen die Ermittler der »SoKo Michelle« im Februar 2009 zu einem letzten, aufwendigen und auch sehr kostspieligen Mittel – dem Massengentest.
Zuerst werden Nachbarn und Bekannte des Mädchens um Proben gebeten. Zuvor hat die Polizei bereits einen Abgleich der vorbestraften Sexualstraftäter vorgenommen. Nach und nach werden dann alle Männer, die in dem Stadtviertel wohnen, zu einer DNA-Probe gebeten. Diejenigen, die nicht zum Test erscheinen, werden zu Hause aufgesucht. Dabei entnimmt man mit einem sterilen Wattestäbchen etwas Speichel von der Innenseite des Mundes. In diesem Speichel sind immer auch Zellen der Mundschleimhaut enthalten – und Zellen enthalten die genetische Information des Betreffenden, die DNA. Die entnommenen Speichelproben werden anschließend mit den DNA-Spuren verglichen, die man an Michelles Leiche gefunden hat, ein sehr zeitaufwendiges Verfahren. Finden sich jedoch Übereinstimmungen, so sind sie kaum widerlegbar, weil der genetische Fingerabdruck jedes einzelnen Menschen unverwechselbar
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