Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Übereinstimmung gemeldet: Die von Egidius S. abgegebene DNA stimmt mit der DNA eines unbekannten Mannes überein, die im September 1984 an der Leiche der 17-jährigen Angelika S. gesichert wurde.
Jetzt haben die Ermittler Gewissheit: Es gibt eine direkte Verbindung von dem Schrottdieb zur ermordeten Angelika S. aus Wegberg.
Am 16. August 2007 wird der »Würger von Aachen« festgenommen. Es ist der 51-jährige Egidius S., ein arbeitsloser Versicherungskaufmann aus dem Kreis Viersen, in dritter Ehe verheiratet mit Anke S., Vater eines achtjährigen Sohnes.
Noch am selben Abend gesteht er den Mord an Angelika und einen Tag später auch die Morde an Marion G., Andrea W., Marion L. und Sabine N. Daraufhin ergeht ein Haftbefehl wegen fünffachen Mordes. Egidius S. kommt in Untersuchungshaft.
Der Täter wohnte bis zu seiner Festnahme mit Frau und Sohn in Elmpt, einem Ortsteil der Gemeinde Niederkrüchten in Nordrhein-Westfalen. Elmpt ist etwa zehn Kilometer vom Fundort des fünften Opfers Sabine N. entfernt und auch nur zehn Kilometer von Wegberg, wo Angelika S. wohnte. Aachen, Herzogenrath und Alsdorf, die Wohnorte der anderen drei jungen Frauen liegen nicht mehr als 70 Kilometer südlich seines Wohnortes.
Zu der Zeit, als Egidius S. mordete, gab es das geographic profiling noch nicht. Hätte man ihn damit eher fassen können?
Die Methode des geographic profilings wurde von Kim Rossmo entwickelt. Er war jahrelang Streifenpolizist in Vancouver und erforschte dabei die Muster, nach denen Menschen stehlen, vergewaltigen und morden. Er studierte Mathematik und promovierte anschließend in Kriminologie. Danach entwickelte Rossmo das Computerprogramm Rigel , benannt nach einem Sternzeichen im Orion.
Die Quintessenz von Rossmos Erkenntnissen lautet: »Die meisten Serientäter handeln nach zwei Prinzipien. Sie begehen ihre Taten nicht direkt vor der Haustür, weil sie zu leicht erkannt werden würden. Aber sie bewegen sich auch nicht allzu weit von zu Hause weg – aus Bequemlichkeit und weil sie sich hier am besten auskennen.«
Das bedeutet, dass die meisten Täter nicht weit vom Tatort entfernt wohnen. Die Grundidee des geographic profilings besagt, dass ein Verbrecher seine Taten nicht an zufälligen Orten begeht, sondern sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten bewegt. Diese Erkenntnisse hat Kim Rossmo in seinem Computerprogramm umgesetzt. Auch die deutschen Serientäter folgen diesen Gesetzen. Etwa 90 Prozent von ihnen agieren in einem Umkreis von maximal 30 Kilometern.
Gibt man die geografischen Daten, wie die Fundorte der Leichen oder die Plätze, an denen die Opfer zuletzt gesehen wurden, in das Programm ein, so entsteht daraus eine Karte. Der Bereich, in dem der Täter vermutlich zu Hause ist, ist farbig hervorgehoben. Das Ganze lässt sich auch dreidimensional darstellen. Laut Erfinder Rossmo werden 85 Prozent aller Verbrechen, bei denen die geografische Fallanalyse angewendet wird, gelöst.
In mehr als 500 Kriminalfällen wurde Rigel bereits eingesetzt und Interpol rät generell zum Einsatz der geografischen Fallanalyse bei Serienstraftaten. Bislang arbeiten Scotland Yard , das FBI und die Royal Canadian Mounted Police mit der Methode. Eine Ausbildung zum Geoprofiler kostet rund 150000 Euro.
Auch das Bundeskriminalamt hat Rigel im Jahr 2000 gekauft – es wurde jedoch noch nie eingesetzt. Die Ausbildung der Ermittler, die mit diesem Programm arbeiten können, dauert zwei Jahre. Das BKA will »erst einmal die Wirksamkeit der Methode« untersuchen.
Hätte man also Egidius S. mithilfe des geographic profilings fassen können? Das ist schwer zu beurteilen. Die Methode funktioniert nicht bei allen Tätertypen. Zudem hat Egidius S. seine Opfer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, es gab also keine Verbindung zwischen ihm und den Frauen, die er ermordete. Mit Sicherheit hätte man den Bereich, wo er zu finden sein müsste, gut eingrenzen können, aber da Egidius S. vorher noch nie ins Visier der Ermittler geraten war, wäre er so wahrscheinlich auch nicht gefasst worden.
Ein »fürsorglicher Familienvater« ?
Als Egidius S. verhaftet wird, lebt er seit vier Jahren mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Reihenhaus mit Garage, es gibt einen kleinen Garten. Egidius S. ist längere Zeit arbeitslos gewesen, versucht jedoch, sich mit diversen Geschäften über Wasser zu halten.
Nachbarn beschreiben ihn als ruhigen, zurückhaltenden Mann. Den Umgang mit Ehefrau Anke und dem Sohn schildern sie als »liebevoll«.
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