Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Das Einzige, was sie stört, ist, dass er ab und zu Altmetall vor der Garage lagert – S. betreibt einen schwunghaften Handel mit Schrottteilen – die Rohre und Maschinenteile beeinträchtigen den ordentlichen Gesamteindruck der Gemeinde.
Auch sozial scheint der Mann sehr engagiert zu sein, S. leistet gemeinnützige Arbeit, seit einiger Zeit arbeitet er in einem nahegelegenen Altenheim. Nach außen hin gibt er den biederen Familienvater.
Es kommen jedoch sehr schnell auch andere Gerüchte auf. So schreibt die Bild – Zeitung in einem Artikel vom 21. August 2007:
»[…] Doch es gab noch die andere, die dunkle Seite. Ein Nachbar erinnert sich: ›Im Garten am Pool haben die immer Sexpartys gefeiert bis in den frühen Morgen.‹ […]
Den Keller hatte sich der ›Egi‹ zum SM-Studio umgebaut, die Wände pink gestrichen. Von der Decke hingen Haken, an den Wänden schwere Eisenringe. Seine kranke SM-Leidenschaft lebte er auch bei seinen Opfern aus, während Ehefrau und Kind ahnungslos auf ihn warteten. […]
Nachdem der Killer die Mädchen getötet hatte, fuhr er zu seiner Frau in den edlen Bungalow. Doch das Leben im Wohlstand hatte schnell ein Ende.
Die Geschäfte liefen schlechter, das Haus wurde versteigert, Egidius S. schlug sich als Metalldieb durch – letztlich sein Verhängnis.«
Wer aber ist dieser Mann mit den zwei Gesichtern wirklich?
Egidius S. wird im Mai 1956 in Baesweiler, einer Stadt mit knapp 30000 Einwohnern, die 25 Kilometer nördlich von Aachen liegt, geboren. Er geht zur Schule, macht den Realschulabschluss. Von September 1974 bis September 1977 absolviert er eine Ausbildung als Krankenpfleger am St.-Elisabeth-Krankenhaus in Geilenkirchen und arbeitet anschließend einige Zeit in einem Altenheim.
In den 80er Jahren arbeitet S. dann als Krankenpfleger in Geilenkirchen. Bis 1986 lebt er in Wassenberg, etwa 20 Kilometer von Geilenkirchen entfernt, dann zieht er nach Süggerath, wo er bis 1991 wohnt. Der Beruf als Krankenpfleger scheint ihn nicht zu befriedigen und so sattelt er um und wird Versicherungsmakler.
Egidius S. reist viel, kommt herum, lernt Frauen kennen, heiratet. Insgesamt dreimal. Auch die Wohnorte wechseln. Im August 1991 zieht Egidius S. mit seiner damaligen Ehefrau in ein Reihenhaus in Geilenkirchen, daneben hat er noch einen weiteren Wohnsitz in Brüggen bei Viersen.
Seine Freunde in Geilenkirchen nennen ihn »Egi«. Und er hat zahlreiche Freunde. Egidius S. spielt bei den Süggerather Altherren Fußball und Tennis bei Blau-Weiß Geilenkirchen – er ist ein angesehenes, beliebtes Mitglied der Gemeinschaft. In den Jahren 1994 bis 1999 ist S. als Anlagen- und Wirtschaftsberater vor allem an seinem Wohnort in Geilenkirchen tätig. Egidius S. lässt es sich gut gehen. Er fährt BMW und besitzt eine Harley-Davidson.
Seine dritte Frau Anke, die während des Prozesses noch eine skurrile Rolle spielen wird, lernt er 1995 kennen. Sie will einen Bausparvertrag bei ihm abschließen. Später äußert Anke S., dass sie die »zurückhaltende, freundliche Art« ihres Mannes sofort mochte. Sie heiraten, bekommen einen Sohn. Irgendwann laufen die Geschäfte schlecht. Im August 2000 zieht die Familie nach Niederkrüchten-Elmpt, das Haus in Brüggen muss versteigert werden.
Danach versucht Egidius S. sich drei Jahre lang als Selbstständiger in einem Baubetrieb und arbeitet im Anschluss bis 2005 als Betriebsleiter bei einem Bauunternehmen. Es folgen mehrere Monate Arbeitslosigkeit. S. beginnt, mit Schrott zu handeln. Kurz vor seiner Festnahme tritt er eine Stelle im nahegelegenen Altersheim an.
Als er verhaftet wird, ist sein Umfeld fassungslos. Die Eltern und seine Frau Anke fallen aus allen Wolken. Niemand hätte ihm je diese Taten zugetraut, keiner hinter dem biederen Familienvater einen erbarmungslosen Serienkiller vermutet. Anke S. hält auch nach der Verhaftung zu ihrem Mann. Ihrer Auffassung nach ist er unschuldig.
Am 16. August 2007 ist der »Würger von Aachen« endlich gefasst – 17 Jahre nach seiner letzten Tat, zumindest nach der letzten Tat, die ihm zugeordnet werden kann. Die Menschen in der Region sind erleichtert, denn obwohl viele Jahre vergangen sind, können sich viele von ihnen nur zu gut an die Morde erinnern. 24 Jahre nach dem ersten Mord sitzt nun ein Mann in Untersuchungshaft, der die »Disko-Morde« begangen hat, er hat die Taten gestanden und die DNA-Spuren beweisen seine Täterschaft zweifelsfrei. Fünf Morde hat Egidius S. zugegeben. Aber sind das alle?
Weitere Kostenlose Bücher