Dem Leben Sinn geben
Menschen!«
Man muss nicht übermäßig optimistisch sein: Am ehesten sind es Schmerzen, die Orientierung vermitteln und Energien für Veränderungen bereitstellen. Um den erforderlichen Veränderungen eine Richtung zu geben, bedarf es der Utopie einer anderen, nachhaltigen Moderne . Aus einer solchen Zielsetzung können Einzelne, Gruppierungen und Gesellschaften auf lange Sicht neuen Sinn beziehen. Die treibende Kraft dafür können engagierte Individuen mit ihrer Liebe zur Natur sein, die diesen Aspekt einer Kunst des Liebens zum Element ihrer Lebenskunst machen.
Die Anstrengungen zur ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft werden in dem Maße vorankommen, in dem die menschliche Einwirkung auf ökologische Zusammenhänge auf den Menschen selbst zurückwirkt; zwangsläufig geht eine veränderte Moderne daraus hervor. War die Moderne getragen vom Ehrgeiz, alles zu realisieren, was möglich ist, so beruht die andere Moderne auf der Einsicht, dass nicht alles, was möglich ist, auch wirklich werden muss, beispielsweise nicht Techniken der Energieerzeugung, deren Konsequenzen langfristig nicht beherrschbar sind. Erhalten bleibt das moderneEngagement für Veränderungen und Verbesserungen, alles Andere würde das blinde Sichfügen in überkommene Verhältnisse bedeuten. Die andere Moderne bedarf dabei keiner Fixierung auf ideale Verhältnisse mehr, die nie zu erreichen sind, und sie kann anders als die Moderne, die das exklusive Projekt der abendländischen Kultur war, zu einem gemeinsamen Projekt der entstehenden Weltgesellschaft werden.
Die Liebe als Beziehung der Zuwendung und Zuneigung zu etwas oder jemandem umfasst auf der Seite des Etwas jedoch über die Dinge der Natur hinaus auch Dinge aller Art überhaupt.
Die Liebe zu Dingen, materiellen und ideellen
Die Beziehung zwischen Menschen und Dingen hat ihre eigene Geschichte, sodass sich parallel zur Menschheitsgeschichte auch eine Geschichte der Dinge schreiben lässt. Waren sie in vormoderner Zeit eingebunden in Religionen, Traditionen und Konventionen, ohnehin immer auch in den Kreislauf der Natur, so wird mit der menschlich gewollten Befreiung davon in moderner Zeit ein neues Kapitel in der Geschichte der Dinge aufgeschlagen.
Die religiöse Befreiung bewirkt, dass es für viele Menschen keine heiligen Dinge mehr gibt: In der Moderne ist ein Brot keine von Gott gesegnete Gabe mehr, sondern ein Konsumgut. Sah ein Mensch einst das Korn heranreifen, das er womöglich selbst im Schweiße seines Angesichts ernten, dreschen, zu Mehl und Teig verarbeiten musste, sieht er nun nur noch ein technisch hergestelltes Endprodukt vor sich, das er kaufen kann. Wenn ihm noch etwas »heilig« ist, dann meist kein religiöses Ding im engeren Sinne, sondern das, was ihm besonders wichtig erscheint, oder eines von den technischen Dingen, die nach der modernen Befreiung von der Natur weit größere Bedeutung als natürliche gewinnen. Die ökonomische Befreiung ermöglicht einer freien Wirtschaft, massenhaft technische Dinge zu produzieren und den Bedarf danach im Zweifelsfall erst zu wecken. Das löst eine immer weiter anschwellende Flut von Dingen aus, zu denen kaum noch jemand eine Beziehung eingeht: Der Produzent hat seinen Gewinn im Blick, der Verkäufer sein Einkommen, der Konsument seine Macht, kaufen zu können. Die soziale Befreiung entreißt die Dinge ihrer traditionellen und konventionellen Einbettung: Stilvolle Möbel, Kleider, Schmuckstücke sind kein Privileg einer sozialen Schicht mehr, jeder kann jedes Ding haben, vorausgesetzt, er kann es bezahlen. Das Verfügen über Geld stellt eine neue Hierarchie der Dinge her, die jedoch ständiger Veränderung unterliegt.
Solange Dinge knapp sind, ist jedes einzelne sehr wertvoll. Es ist Bestandteil des Lebens und der persönlichen Geschichte eines Menschen. Das Verhältnis zu ihm ist geprägt von einem sorgsamen Gebrauch , eingebettet in eine Beziehung der Zuwendung und Zuneigung: Darin besteht das »Zuhandensein« der Dinge, von dem Martin Heidegger sprach ( Sein und Zeit , 1927, § 15), und der unverbrüchliche Zusammenhang mit ihnen trägt dazu bei, dem Leben Sinn zu geben.
Diesen vormodernen Status der Dinge aufrechtzuerhalten, wird unmöglich bei der modernen Unzahl von Dingen, die am Fließband produziert und konsumiert werden. »Alle diese Anlagen haben so enorme Massen von Waren produziert, dass die Welt davon überfüllt ist«, schreibt der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel 1826 aus Manchester an
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