Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
Vom Netzwerk:
Nachfrage beleben, stellen die Wirksamkeit einer bewussten Lebensführung unter Beweis.
    Der Hebel der Machtverhältnisse kann in einer marktwirtschaftlich verfassten Ökonomie nie nur »von oben«, immerauch »von unten« angesetzt werden, denn jeder entscheidet selbst darüber, wofür er Geld ausgibt. Werbung beeinflusst das Verhalten? Das ist Bestandteil des Machtspiels, und es liegt erneut in der Macht des Einzelnen, Folge zu leisten oder nicht: Werber wissen das nur allzu gut. Jeder Einzelne repräsentiert eine ökonomische Macht, solange er wählen kann, welchen Lebensstil er bevorzugt und von welchen Produkten er dabei Gebrauch macht. Das Machtspiel wird erst ausgehebelt, wenn es zu einer Alleinherrschaft von Monopolen kommt, die nur durch eine umfassende Gegenbewegung zu brechen ist.
    Die Betonung der Rolle des Einzelnen soll nicht auf eine Vernachlässigung der politischen Ebene im engeren Sinne hinauslaufen. Im Raum der Politik ist die Nachhaltigkeit eigentlich ein bewahrendes, also konservatives Anliegen. Konservative haben auf ihre Weise immer schon nachhaltig agiert, für die Ökologie aber haben sich zu viele von ihnen nie interessiert. Einige sind zu Interessenvertretern geworden, die über gravierende ökologische Probleme, etwa radioaktive Abfälle der Energiegewinnung aus Atomkraft, die über viele Generationen hinweg weiterstrahlen, einfach hinweggesehen haben.
    Dass Nachhaltigkeit unter modernen Bedingungen etlichen veralteten Strukturen der Moderne zuwiderläuft und auf sehr viel Erneuerung angewiesen ist, hat sie frühzeitig zu einem progressiven Anliegen gemacht. Als wichtiger Antrieb der »großen Politik« hat sich außerdem eine »Kleinstpolitik« privater Verhältnisse erwiesen. Manche wollten darin einen Rückzug in die private Nische sehen, aber auf diesem Weg ist die ökologische Bewegung groß geworden. Der bloße Vollzug der eigenen Existenz auf diese oder jene Weise ist eine wirksame Methode, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Und es liegt Menschen nun mal nahe, die Dinge weniger aus einer allgemeinen Makroperspektive, mehr aus der individuellen Mikroperspektive des eigenen Lebens im Alltag wahrzunehmen. Lebenskunst ist der Versuch, Antworten auf Lebensfragen aus dieser Sicht heraus zu entwickeln, um Menschen behilflich zu sein, das zu verwirklichen, was ihnen mit aufgeklärtem Eigeninteresse nach eigener Überlegung als das Richtige im Falschen erscheint, auch wenn dies zunächst Hohn und Spott Anderer auf sich zieht. Sollte es gelingen, mit einer nachhaltigen Lebensführung ein schönes und bejahenswertes Leben zu realisieren, weckt dies auch in Anderen den Wunsch, ihr Leben zu ändern.
    Zur Nachhaltigkeit der Lebenskunst gehört die Gelassenheit , die vom Lassen ihren Namen hat. Sie ermöglicht einen zumindest gelegentlichen Verzicht auf das ständige Wollen und Machen, das den Aktivismus des modernen Lebens charakterisiert. Gelassen verhält sich der Einzelne zur inneren Ökologie seiner selbst wie zur äußeren Ökologie der Welt; gelassen bleibt er auch angesichts der vielen »Krisen«, die nicht enden, da sie grundlegend für das Leben sind, dessen Beständigkeit nun mal die Veränderung ist. Eine ultimative Gelassenheit gilt der ökologischen Krise selbst: Alles spricht dafür, dass die Natur sie überlebt, nur der Mensch vielleicht nicht. Das wäre dann Natur: Die Gesamtheit der Zusammenhänge, die nicht vom Menschen geschaffen wurden und die nach allen Veränderungen durch ihn auch ohne ihn existieren können.
    Der Mensch muss »die Erde retten«? Das ist unnötig, die Erde kommt ganz gut auch ohne ihn zurecht. In Wahrheit geht es für den Menschen darum, sich selbst zu retten, da eine Zerstörung ökologischer Zusammenhänge ihn im Kern trifft. Jetzt kann er zeigen, ob er mit kultureller Evolution in der Lage ist, weiterhin an der natürlichen Evolution teilzuhaben. Undwenn nicht? Dann eben nicht. Der Mensch ist, wie jedes Lebewesen, ein Experiment der Evolution. Erstmals in der Geschichte ist er nicht mehr nur ihr Objekt, sondern auch ihr Subjekt, das mehr oder weniger bewusst Einfluss auf den weiteren Fortgang des Geschehens nimmt. Soweit zu sehen ist, ist der Mensch das einzige Wesen, dem diese Rolle zufällt; anders als Andere kann er auch vorzeitig aussteigen. Sein Leben ist keine Notwendigkeit, sondern eine Möglichkeit. Bleibt sie ungenutzt, lässt sich letztlich mit der Tochter in August Strindbergs Theaterstück Traumspiel von 1902 sagen: »Es ist schade um die

Weitere Kostenlose Bücher