Dem Leben Sinn geben
Maß, das noch dazu ein atmendes ist: Mal zu wenig, mal zu viel zu haben.
Bezogen auf das Zufallsglück ist Geld hilfreich, um die Wahrscheinlichkeit aussichtsreicher Zufallsbegegnungen zu erhöhen. Wer sich in den »richtigen Kreisen« bewegt, kann aufgrund guter Kontakte eher einen guten Job finden und gute Geschäfte anbahnen. Eine handverlesene Partnervermittlung ist nicht preiswert, steigert aber die Wahrscheinlichkeit der Begegnung mit dem Mann oder der Frau des Lebens. Und mehr Schutz vor unglücklichen Zufällen des Lebens auf dengefährlichen Straßen bietet, wie die Unfallstatistik zeigt, ein gut ausgestattetes Auto, das seinen Preis hat.
Zum Wohlfühlglück trägt Geld sehr viel bei, denn es erlaubt, gesünder zu leben, geräumiger zu wohnen, aufwändiger auszugehen, anspruchsvoller zu reisen und auch frei dazu zu sein, mehr Zeit in all das zu investieren, was wirklich wichtig erscheint, um dabei eine größere Befriedigung zu erfahren. Geld macht frei und diese Freiheit macht glücklich.
Dennoch kann kein Mensch sich von den Gegensätzen des Lebens freikaufen, die dessen Fülle ausmachen: Vor dem Glück der Fülle sind alle Menschen gleich. Allen steht irgendetwas Positives zur Verfügung, das dennoch immer wieder konterkariert wird von negativen Erfahrungen wie Ärger, Misserfolg, Schmerz, Krankheit. Unvergleichlich ist der Genuss, frei davon zu sein, aber niemand kann negative Erfahrungen dauerhaft ausschalten, allenfalls sind sie mit Geld abzumildern, und alles kommt darauf an, sie ins Leben integrieren zu können.
Was schließlich das Unglücklichsein betrifft, scheinen diejenigen, die viel und zu viel haben, bevorzugt davon angetastet zu werden. Dann verstehen sie die Welt nicht mehr: »Wie ist es möglich, dass ich unglücklich bin, wo ich doch alles habe?« Aber ihr Leben hat vielleicht zu wenig Sinn. Und alle Stimmungsaufheller, alles Positivdenken und noch so viele Wochenendshoppingtouren in die Citys dieser Welt ändern nichts daran, dass das Unglücklichsein eine Möglichkeit des Menschseins ist. Das Glück der Besitzenden besteht darin, sich in diesem Zustand einrichten zu können, während Andere sich trotz allem um den Lebensunterhalt kümmern müssen – vermutlich eine andere Art von Glück im Unglücklichsein: Nicht lange hadern zu können.
Sinnvoll erscheint einerseits, sich um materielle Mittel zubemühen, andererseits aber Sorge für ihre Begrenzung zu tragen, um nicht im Überfluss und Überdruss unterzugehen. Eine moderate Liebe zum Geld kann hilfreich sein, um zu Geld zu kommen, sich aber nicht darin zu verlieren: Weiterer Bestandteil einer Kunst des Liebens. Keine blinde Leidenschaft sollte es sein, schon gar keine Gier nach Geld, eher ein Befreundetsein damit oder, noch zurückhaltender, ein Mögen , wie es bei jemandem möglich ist, mit dem sich gut kooperieren lässt.
Ungut wirkt sich demgegenüber eine funktionale Beziehung zum Geld aus, die nur dessen Funktionieren im Wirtschaftssystem sieht und für außermonetäre Zusammenhänge blind bleibt, um dann verwundert darüber zu sein, wenn Andere »das System« zerschlagen wollen. Verständlich ist eine kämpferische, agonale Beziehung, ein Anrennen gegen Geld, das die Welt regiert, ein Hass auf den schnöden Mammon, wenngleich dabei außer Blick gerät, dass nicht wirklich Geld das Problem ist, sondern der Umgang mit Geld. Schwieriger ist die ausschließende Beziehung, der Versuch, das Geld abzuschaffen, um die Probleme loszuwerden, die es mit sich bringt. Bei jeder vermeintlichen Abschaffung bleibt die Frage nach den Lebensmöglichkeiten offen, über die der Einzelne nicht selbst verfügt, für die er vielmehr auf Andere angewiesen ist, für die wiederum dasselbe gilt: Geld kann das Medium des Austauschs sein. Am schwierigsten ist die virtuelle Beziehung zum Geld, die bei Menschen verbreitet ist, denen Zahlen nichts bedeuten: Es gibt kein virtuelles Geld; für jede Zahl, die irgendwo steht, muss jemand bezahlen, auf welche Weise auch immer.
Liebe ist ein poetisches Wort für die Beziehung zum Geld, die gerne als prosaisch abgetan wird. Aber ebenso wie anderen materiellen und ideellen Dingen kann dem Geld Zuwendung und Zuneigung zukommen, um eine Basis für den sinnvollen,geistreichen Umgang damit zu schaffen, denn was Menschen lieben, das pflegen sie auch. Die Liebe zum Geld hat freilich einen schlechten Ruf: Kaum jemand will sich dazu bekennen. Dieser Liebe frönen nur »die Anderen«, ich selbst bin frei davon, Gott sei
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