Dem Pharao versprochen
froh, dass diese Schlange endlich weg ist.«
»Von wem redest du?«, fragte Selket verwundert.
»Von Tij«, antwortete Anchesenamun. »Ich traue ihr nicht über den Weg. Wenn sie könnte, würde sie mir eine ihrer langen Nadeln ins Herz stoßen. Ich spüre, dass mich diese Frau hasst, obwohl ich ihr keinen Anlass dazu gegeben habe. Jedenfalls bin ich mir keiner Schuld bewusst.«
Selket lächelte vielsagend. »Sie ist eifersüchtig.«
Anchesenamun runzelte die Stirn. »Eifersüchtig?«
»Ist dir noch nie aufgefallen, welche Blicke dir Eje zuwirft?«, fragte Selket und ließ sich vor Anchesenamun auf die Knie nieder.
»Eje?« Anchesenamun wollte den Kopf schütteln, unterließ es aber dann, weil sie die Krone trug. »Nein, davon habe ich nichts bemerkt. Ich gestehe, dass ich es vermeide, Eje länger als nötig anzusehen. Ich … ich mag ihn einfach nicht, und er rückt immer so dicht an mich heran, es ist widerlich.«
»Das meine ich«, sagte Selket. »Er begehrt dich. Er verschlingt dich mit Blicken, wenn er denkt, dass ihn niemand beobachtet. Ich bin sicher, dass du nachts durch seine Träume geisterst. Wer weiß, vielleicht hat er im Schlaf schon einmal deinen Namen genannt, und Tij hat Angst, weil sie in dir eine Konkurrentin sieht.«
»Oh … mit Eje würde ich doch nie …« Anchesenamun erschauderte bei diesem Gedanken.
Selket lachte. »Ich weiß.« Sie erhob sich, griff nach Anchesenamuns Hand und zog sie auf. »Und nun komm! Der Wagen steht für dich bereit.«
Anchesenamun ließ sich mitziehen. Sie war aufgeregt, als sie mit Selket bei den Stallungen ankam, und obwohl sie sich geschworen hatte, sich keine Hoffnungen mehr zu machen, hielt sie unauffällig nach Duamutef Ausschau. Der Wagenlenker war noch dabei, die Pferde anzuspannen. Zwei standen bereits im Geschirr, die anderen beiden Schimmel wurden gerade herbeigeführt. Es waren herrliche Tiere mit schwarzen Augen und dunklen Nüstern, mit edlen Köpfen und wunderbar langen Mähnen. Einer der Schimmel war besonders unruhig und tänzelte nervös, als der Wagenlenker ihn anspannen wollte; er warf den Kopf hin und her, so dass der Mann alle Mühe hatte. Endlich hatte er es geschafft, und die vier Pferde waren mit Leinen und Zügeln mit dem goldenen Wagen verbunden.
Der Wagen war mit Blumen geschmückt, und ein betäubender Duft nach Lilien kam Anchesenamun entgegen. Traurigkeit ergriff ihr Herz, denn der Lilienduft war mit der Erinnerung an Duamutef verknüpft …
»Steigt ein, Herrin!«, forderte der Wagenlenker die junge Königin auf.
»Mach’s gut«, sagte Selket leise zu Anchesenamun.
»Danke«, gab diese zurück und stieg vorsichtig auf das federnde Geflecht. Der Wagenlenker stellte sich neben sie. Eines der Pferde wollte steigen, wurde aber gleich mit der Peitsche bestraft.
Anchesenamun starrte etwas ängstlich auf die Pferde. Man hatte die schönsten ausgesucht, doch ihr wäre es lieber gewesen, man hätte die verlässlichsten Tiere genommen. Aber sie wollte an kein Unglück denken, sonst zogen ihre Gedanken es am Ende noch herbei …
Im Hof marschierten die ersten Soldaten auf. Eje erschien und sorgte für die richtige Aufstellung.
»Fünfzig Mann vor dem Wagen und fünfzig dahinter!«
Es dauerte eine Weile, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten. Eine Schar Tänzerinnen mit Tamburinen begleiteten die Soldaten. Endlich setzte sich der Festzug in Bewegung.
Anchesenamun umklammerte den Haltegriff. Die Pferde liefen im Schritt, ein gemächliches Tempo. Sie schienen sich untereinander nicht so recht zu vertragen, und Anchesenamun fragte sich, wer die Auswahl vorgenommen hatte. Dann fiel ihr ein, dass Tutanchamun ja etliche seiner Pferde mit auf die Reise genommen hatte. Wahrscheinlich waren die Ställe jetzt halbleer …
Als sie den Hof verließen und Anchesenamun zur Seite blickte, tauchte zwischen den Männern eine bekannte Gestalt auf: Duamutef. Es versetzte ihr einen Stich, als sie ihn sah. Ihre Blicke kreuzten sich. Duamutef sah unendlich traurig aus. Anchesenamun zerriss es fast das Herz. Am liebsten wäre sie vom Wagen gesprungen und zu ihm hingelaufen, um mit ihm zu sprechen, aber das war natürlich ausgeschlossen. Sie hob die Hand, ein unmerkliches Winken – sie hoffte, dass er es gesehen hatte, aber sie konnte keine Reaktion erkennen. Kurz darauf war er in der Menge verschwunden.
Es war noch immer heiß. Wann würde diese unerträgliche Hitze endlich vorüber sein? Die Jahreszeiten schienen sich zu verschieben …
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