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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Gemurmel der Priester schwoll an.
    »O großer Falke, der aufsteigt aus dem großen Wasser, Herr der Flut, lass mich heil sein, so wie du dich selbst heil sein lässt!
    Befreie diese Tochter, löse sie, bring sie zur Erde und erfülle ihre Wünsche.«
    Anchesenamun wünschte sich, die Zeremonie wäre schon vorüber. Einmal stolperte sie und wäre fast gefallen. Tutachamun reagierte rasch und packte ihren Arm.
    »Danke«, flüsterte Anchesenamun und hielt sich einen Moment an ihm fest. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen. »Es ist … die Hitze …«
    Der Pharao ließ sie los. Der Zug bewegte sich weiter. Es war noch eine weite Strecke bis zur Grabkammer. Der Weihrauch, der aus dem Gefäß eines Priesters ausströmte, zog jetzt in Anchesenamuns Richtung und nahm ihr den Atem.
    Plötzlich sprang einer der Priester zur Seite, ein anderer hieb mit einem Stab auf die Erde. Der Sarkophag geriet ins Wanken und für einen Moment sah es so aus, als würden sie ihn fallen lassen. Der rituelle Gesang brach ab.
    »Was ist los?«, fragte der Pharao mit herrischer Stimme. »Warum geht es nicht weiter?«
    Einer der Priester hob seinen Stab hoch. Daran baumelte jetzt eine leblose Giftschlange.
    »Ein böses Omen«, flüsterte jemand hinter Anchesenamun. »Jemand, der das
Dämonenmal
trägt, sollte nicht bestattet werden. Das Mädchen ist verflucht …«
    Anchesenamun drehte sich um und blickte in die schmalen Augen von Tij.
    Eje stieß seine Gemahlin mit dem Ellbogen an und machte ein ernstes Gesicht.
    »Meine Tochter ist nicht verflucht!«, stieß Anchesenamun aus. »Wer so etwas behauptet, der ist ein Lügner.«
    Tij lächelte nur.
    Der Pharao ergriff Anchesenamun erneut am Arm. »Komm, geh weiter!«, murmelte er. »Du hältst den Trauerzug auf.«
    Anchesenamun starrte ihn fassungslos an. »Hast du nicht gehört, was diese Frau über unsere Tochter gesagt hat?«
    »Seit wann kümmerst du dich um solches Geschwätz?«, zischte er. »Komm!«
    Sie starrte ihn an. Hielt er es nicht für nötig, die vorlaute Tij zurechtzuweisen?
    Sie spürte plötzlich ein Gefühl der Enge, so, als hätte Selket wieder die Leinenbinden um sie gewickelt, um die Milchbildung zu verhindern. Mühsam rang sie nach Luft, aber der Druck auf ihre Brust wurde immer stärker. Sie sah den triumphierenden Ausdruck auf Tijs Gesicht, und das war mehr, als sie ertragen konnte.
    Die tanzenden schwarzen Punkte verdichteten sich, alles wurde schwarz um sie herum. Sie fühlte, wie sie den Halt verlor. Arme griffen nach ihr und hielten sie fest, trotzdem fiel sie in einen endlosen Abgrund.
     
    Die nächsten Tage durchlebte Anchesenamun wie im Traum. Sie hatte Fieber. Selket pflegte sie hingebungsvoll und ließ sie kaum einen Moment allein. Sie flößte ihr Suppe ein, auch wenn Anchesenamun die Hälfte davon wieder ausspuckte. Sie kühlte ihr die Stirn mit feuchten Tüchern, sang ihr Lieder vor, erzählte ihr Geschichten oder saß einfach nur an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Anchesenamun verbrachte die Zeit zwischen Wachen und Träumen. Die Bilder, die ihr ihre Phantasie vorgaukelte, waren manchmal erschreckend real. Sie träumte, dass sie vor der verschlossenen Grabkammer stand, in der ihre Tochter beigesetzt worden war. Sie war ganz allein, weit und breit kein anderer Mensch. Die einzigen Fußspuren, die zur Grabkammer führten, waren die, die Anchesenamun hinterlassen hatte.
    Anchesenamun schlug mit den Fäusten gegen die verschlossene Tür. Sie spürte den Schmerz. Der raue Stein riss ihre Haut auf.
    »Ich will dich sehen!«, rief Anchesenamun. »Nur ein einziges Mal! Bitte öffne die Tür, sei nicht so grausam!«
    Erschöpft von der Anstrengung sank sie in den Sand. Plötzlich ertönte ein Knirschen. Die verschlossene Tür öffnete sich Stück für Stück. Anchesenamun schreckte hoch und starrte auf die Öffnung, in der ein kleines Mädchen erschien. Es war vielleicht drei Jahre alt, trug ein langes weißes Kleid, hatte schwarze Haare und sah genauso aus, wie Anchesenamun früher ausgesehen hatte.
    »Mama?«
    Anchesenamun lachte und weinte zugleich. Sie schloss das kleine Mädchen in die Arme und drückte es fest an sich. Sie spürte den schnellen Herzschlag. Das Mädchen schmiegte sich an sie.
    »Warum haben mir alle erzählt, dass du tot bist?«, schluchzte Anchesenamun. »Du lebst doch und bist völlig gesund! Und ein
Dämonenmal
hast du auch nicht!«
    Mit einem Mal merkte sie, wie sich das Mädchen in ihren Armen veränderte. Eben war es noch weich und

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