Dem Pharao versprochen
nicht an!«
Anchesenamun hielt sich die Wange. Ihre Augen waren dunkel vor Angst. »Du bist doch noch betrunken«, flüsterte sie. »Dein Atem riecht nach Wein …«
»Mit wem hast du dich im Palastgarten getroffen? Wer ist der Mann, mit dem du dort Zärtlichkeiten ausgetauscht hast? Streite es nicht ab! Ihr seid beobachtet worden …«
Anchesenamun schloss vor Entsetzen die Augen. Nachdem der Vorfall schon Monate zurücklag und die ganze Zeit nichts passiert war, hatte sie gehofft, dass der Beobachter auch weiterhin schweigen würde. Sie hatte sich in Sicherheit gewiegt und den Göttern dafür gedankt …
»Rede!«, forderte Tutanchamun sie auf. »Oder muss ich die Worte erst aus dir herausprügeln?« Er hob drohend die Hand.
»Nein!« Anchesenamun zuckte zurück. »Es war alles ganz anders …«
»Wer ist dein Liebhaber?«
»Er ist nicht mein Liebhaber! Es war … ein alter Freund, von dem ich mich verabschiedet habe, bevor er Waset verlassen hat.« Anchi starrte ihren Gemahl ängstlich an. Würde er ihr glauben?
»Aha, verabschiedet. Und vorher hast du dir ein Kind von ihm machen lassen!«
»Das Kind stammt von dir, du bist der Vater! Mich hat kein anderer Mann berührt! Du bist der Einzige, mit dem ich das Lager geteilt habe! Das musst du mir glauben! Ich schwöre es!«
Tut lächelte dünn.
»Bitte glaube mir!«, flehte Anchesenamun. »Das ist die Wahrheit.«
»Ich will seinen Namen wissen …«
»Er ist nicht mehr in der Stadt!«
»Sein Name!«
»Wieso willst du das wissen? Er ist doch nicht mehr da …«
Tut packte Anchesenamun an beiden Schultern. Seine Augen waren so dunkel vor Zorn, dass sie sich fürchtete.
»Wie heißt er?« Er griff ihr ins Haar und fing an zu ziehen.
Es tat weh.
»Hör auf!«, wimmerte Anchesenamun.
»Erst wenn du seinen Namen gesagt hast.«
»Es war nichts zwischen uns, ich schwöre es!«
Er schlug sie wieder ins Gesicht. Anchesenamun sank auf die Kissen zurück.
»Wenn ich dich mit ihm erwische, dann seid ihr beide des Todes«, drohte er.
Sie drehte sich zur Seite, weil sie noch mehr Schläge erwartete. Sie hatte Angst, dass er sich in seiner derzeitigen Verfassung nicht mehr unter Kontrolle hatte. Vielleicht würde er sie totschlagen!
»Auch wenn du mir den Namen nicht sagst – ich werde herausfinden, mit wem du dich getroffen hast«, sagte er.
Dann versetzte er ihrem Rücken noch einmal einen groben Stoß und verließ mit schnellen Schritten das Gemach.
Anchesenamun weinte leise in die Kissen.
Am Straßenrand hatten sich unzählige Menschen versammelt, um die Rückkehr des Pharaos nach Waset zu feiern. Und man wollte auch die Königin sehen, die ihr Kind verloren hatte.
Schon Stunden, bevor der goldene Wagen durch die Straßen rollte, hatten die ersten Zuschauer ihre Plätze eingenommen, um eine möglichst gute Aussicht zu haben. Die Menschen trugen ihre Festtagskleider und hatten sich mit Blumenketten geschmückt. Sie waren gespannt auf den Pharao, der so tapfer gegen die Feinde im Osten gekämpft hatte.
Als auf der Straße die Soldaten des Königs auftauchten, die die Vorhut bildeten, erschollen die ersten Rufe:
»Unser Pharao, er möge ewig leben!«
»Gesundheit und Heil!«
»Mögen die Götter mit Euch sein, ehrwürdiger Gottkönig!«
Nach den Soldaten kamen die Tänzerinnen, die mit ihren Kleidern und ihrem Schmuck eine wahre Augenweide bildeten. Mit anmutigen Bewegungen zogen sie die Blicke der Zuschauer auf sich. Sie drehten sich, ihre Kleider bildeten bunte Wirbel.
Als endlich der goldene Streitwagen erschien, auf dem der Pharao und die Große Königliche Gemahlin standen, brandete Beifall auf. Jubelrufe ertönten. Die Zuschauer warfen dem königlichen Paar Blumen zu.
Tutanchamun hob die Hand und winkte. Anchesenamun tat es ihm nach, sie wandte den Kopf und lächelte in die Menge. Sie sah blass aus, wirkte aber dadurch umso schöner. Ihr Goldschmuck funkelte, als sie den Arm bewegte.
Eine alte Frau am Straßenrand seufzte entzückt. Ein paar Kinder hüpften in die Höhe, schrien und winkten, um auf sich aufmerksam zu machen. Einem kleinen Mädchen gelang es, eine Lilie zu werfen, die Anchesenamun auffing. Sie lächelte noch mehr und warf dem kleinen Mädchen einen liebevollen Blick zu, das daraufhin eine tiefe Verbeugung machte.
Der Triumphzug bewegte sich langsam durch ganz Waset. Der Pharao hatte die schönsten Pferde seines Stalls vor den Wagen spannen lassen. Es waren prächtige Tiere. Ihr weißes Fell glänzte in der
Weitere Kostenlose Bücher