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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Tages, an dem Anchesenamun den Brief übergeben hatte, begann Tutanchamuns Interesse an ihr wieder aufzuflammen. Nach dem Abendessen, das sie wie immer in der letzten Zeit getrennt eingenommen hatten, stand er plötzlich in ihrem Schlafgemach. Sie hatte schon angefangen, sich für die Nacht zurechtzumachen und bürstete gerade ihr Haar.
    Er näherte sich ihr von hinten und legte seine Hände auf ihre Schultern. Sie sah sein Gesicht im Bronzespiegel und roch, dass er Wein getrunken hatte.
    »Wie geht es dir, meine Liebe?«
    »Danke, ich fühle mich wieder besser«, antwortete Anchesenamun. »Meine Kräfte kehren zurück.«
    »Es freut mich, dies zu hören. – Was hältst du von einem Spaziergang im Garten? Es ist eine schöne Nacht, der Mond ist fast voll. Du liebst doch solche Mondnächte besonders.« Er lächelte.
    »Ein Spaziergang? Jetzt? Aber ich habe mich schon für die Nacht umgezogen.«
    »Das macht doch nichts. Niemand wird merken, dass es ein Nachtgewand ist. Wir werden ungestört sein. Im Übrigen bist du wunderschön, Anchesenamun, weißt du das?«
    Er küsste sie sanft auf den Scheitel. Anchesenamun war irritiert. Warum war er plötzlich so liebevoll zu ihr? Was hatte den Wandel bewirkt? War es nur eine seiner Launen? Oder verstellte er sich und hatte längst ihren Brief gelesen, den sie an Duamutef geschrieben hatte?
    Sie zögerte mit der Antwort.
    Er nahm ihr die Bürste aus der Hand und fing an, ihr Haar zu bürsten, Strähne um Strähne. Das hatte er nie zuvor getan.
    Anchesenamun lachte nervös. »Wo hast du das gelernt?«
    »Erinnerst du dich nicht? Früher durfte ich euch Schwestern oft bürsten. Besonders gern hatte es Setepenre, die jüngste.«
    Ein verschwommenes Bild tauchte in Anchesenamuns Erinnerung auf. Setepenre, auf einem Schemel sitzend. Dahinter kniete der Knabe Tutanchaton und bürstete hingebungsvoll das lockige schwarze Haar der Kleinen.
    »Das habe ich völlig vergessen.« Anchesenamun schüttelte den Kopf. »Es ist ja auch schon ewige Zeiten her. – Setepenre … ich kann mich kaum noch an sie erinnern. Sie war ein Wirbelwind und hatte einen unheimlichen Dickkopf. Bei jeder Gelegenheit hat sie einen Zornanfall bekommen und sich auf den Boden geworfen.«
    »Das weiß ich wiederum nicht mehr«, erwiderte Tut. »Ich erinnere mich nur an ihr Haar. Was habe ich sie damals um ihre Locken beneidet!«
    »Ja, weil man dir den Schädel kahlgeschoren hatte bis auf eine einzige Locke.« Anchesenamun lachte. Sie hätte niemals gedacht, dass ein Junge auf die Haarpracht eines Mädchens neidisch werden konnte.
    »Kommst du nun mit in den Garten?« Er fasste jetzt ihre Hand und zog sie sanft auf. Sie standen sich gegenüber, ganz dicht. Anchesenamun fühlte, wie ihr Herz schlug. Was hatte Tut vor? Konnte sie ihm trauen? Oder war seine Freundlichkeit nur gespielt?
    Sie sah ihm in die Augen, aber sein Blick war unergründlich. Sie konnte nichts darin lesen.
    »Was hast du vor?«, fragte sie leise.
    »Muss es einen besonderen Grund haben, warum ich mit meiner Gemahlin einen Spaziergang machen will?«, gab er zurück und lachte dabei.
    »In der letzten Zeit hat es nicht so ausgesehen, als sei ich noch deine Gemahlin«, sagte sie.
    Er sah sie traurig an. Eine richtige Entschuldigung kam jedoch nicht über seine Lippen. »Ich weiß selbst nicht, was mit mir los war. Es ist so eine Umstellung, wenn man monatelang gegen Feinde gekämpft hat und sich dann wieder um Regierungsgeschäfte kümmern muss. Ich gestehe, dass mir das Leben unter freiem Himmel fehlt. Und auch das Gefühl, an meine körperlichen Grenzen zu gehen.«
    Was hat das mit mir zu tun?, dachte Anchesenamun.
    »Kommst du nun mit?«, fragte er noch einmal. »Es ist eine wunderbare Nacht …«
    Sie gab nach und folgte ihm in den Garten. Im Palast war es schon still. Nur einige Diener, die Nachtdienst hatten, huschten wie lautlose Schatten umher.
    Im Garten empfing sie ein Meer der Düfte. Anchesenamun schloss die Augen und sog den Geruch in sich auf. Lilien … Duamutef …
    Ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie hatte das Gefühl, dass sie wieder anfing zu leben … wie eine Blume, die am Verdursten gewesen war und die jetzt wieder Wasser bekommen hatte.
    Tutanchamun reichte ihr seinen Arm, und sie schritten wortlos durch den Garten. Am Himmel funkelten die Sterne wie Goldpartikel auf einem dunklen Tuch. Anchesenamun fragte sich zum wiederholten Mal, wie die Sterne wohl aus der Nähe aussahen und ob man sie anfassen konnte. Ob auch

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